Manderscheider feiern verboten günstig
Manderscheid · Grillen und feiern in der Manderscheider Grillhütte kostet nicht für alle Menschen das gleiche. Einheimische zahlen für einen Abend eine Miete von derzeit 55 Euro, Auswärtige müssen für die Räumlichkeit 100 Euro hinlegen. Doch wie eine TV-Recherche ergeben hat, sind solche Einheimischentarife laut einer EU-Richtlinie verboten.
Manderscheid. Ein Einheimischer bestellt an einer Manderscheider Frittenbude eine Currywurst. Er zahlt 2,50 Euro. Neben ihm steht ein Kunde aus Wittlich, der für die gleiche Wurst fünf Euro zahlen soll. Solch ein Einheimischentarif würde an der Frittenbude mit Sicherheit einen großen Streit vom Zaun brechen.
Doch eine ähnliche Vergünstigung bietet die Stadt Manderscheid den Einheimischen, wenn sie ihnen die Schutzhütte auf der Turnierwiese für ihre Feierlichkeiten vermietet. Denn die Einwohner zahlen im Gegensatz zu Auswärtigen nur den halben Preis. Die Miete der Grillhütte kostet den Einheimischen pro Tag 55 Euro. Bürger aus Daun, Wittlich, Bitburg oder Trier - ebenso wie Belgier, Niederländer oder Luxemburger - müssen in Manderscheid 100 Euro hinlegen, um die Räumlichkeiten zu mieten. Der Manderscheider Stadtrat hat dazu noch beschlossen, die Gebühren ab dem Jahr 2015 zu erhöhen. Dann sollen Auswärtige 200 Euro und Manderscheider 100 Euro für ihre Party in der Grillhütte zahlen. Doch die Preispolitik der Ortsgemeinde, die Einheimische begünstigt, ist laut einer EU-Richtlinie höchst umstritten. Solch ein finanzielles Privileg auf Grundlage des Wohnortes stellt laut den Grundfreiheiten für den europäischen Binnenmarkt eine Diskriminierung auswärtiger Interessenten dar.EU: Freier Dienstleistungsverkehr
In der 2006 erlassenen EU-Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt heißt es: "Gemäß den Vorschriften des Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr sind Diskriminierungen des Dienstleistungsempfängers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, seines Wohnsitzstaates oder seines Wohnortes verboten."
Der Trierer Rechtsanwalt Ralf Michaelis, der sich auch mit Europarecht befasst, erklärt den Sinn der europäischen Richtlinie: "Jeder EU-Bürger soll eine Dienstleistung in jedem EU-Land zu denselben Bedingungen in Anspruch nehmen dürfen."
Deshalb hält Michaelis die Manderscheider Preispolitik, die auch innerhalb des Landkreises Bernkastel-Wittlich für ungleiche Tarife sorgt, für problematisch. " Solche Einheimischentarife sind unter Europarechtlern sehr umstritten." Die EU gehe in ähnlichen Fällen derzeit gegen solche Vergünstigungen vor (siehe Extra).Fall für die Gewerbeaufsicht?
Zwischen dem EU-Parlament in Brüssel und Manderscheid liegen 250 Kilometer, weshalb der eine nicht unbedingt weiß, welche Richtlinien oder Verordnungen andernorts gerade erlassen werden.
Deshalb hat der TV das europäische Verbraucherschutzzentrum Deutschland zur Manderscheider Preispolitik befragt. Der dort zuständige Jurist Patrick Oppelt gibt eine klare Antwort: "Günstigere Preise für Einheimische sind eine Diskriminierung Auswärtiger. Sie sind europarechtlich nicht zulässig." Die EU-Richtlinie sei mit der Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer in nationales Recht gegossen worden. Folglich müsse die Gewerbeaufsicht einschreiten und die Stadt Manderscheid dazu auffordern, solche Einheimischentarife zu unterbinden. Denn die EU-Richtlinie verbiete eine preisliche Benachteiligung auf Grundlage des Wohnortes ebenso wie hinsichtlich der Staatsangehörigkeit. Demnach könne sich ein Wittlicher genauso mit einer Beschwerde bei der Gewerbeaufsicht gegen die höheren Mietpreise der Grillhütte wehren wie auch ein niederländischer Tourist.Meinung
Keine Gurkenverordnung
Im Gegensatz zur maximal zulässigen Krümmung von Gurken haben sich die Bürokraten in Brüssel mit der Richtlinie zur Nichtdiskriminierung bei Dienstleistungen etwas Sinnvolles ausgedacht. Denn die Regel - sofern sie in nationales Gesetz umgeformt und auch eingehalten wird - sorgt im europäischen Handel für ein gutes Stück Gerechtigkeit. Denn wer möchte als deutscher Tourist in Italien für ein Stück Pizza das Doppelte zahlen als ein Einheimischer? Oder welcher Deutsche fände es gerecht, wenn er aufgrund seiner Herkunft für ein Hotelzimmer an der Côte d\'Azur mehr bezahlen müsste als die polnischen Urlauber im Zimmer nebenan? Das EU-Recht verbietet Einheimischentarife zu Recht auch auf lokaler Ebene. Deshalb zahlt ein Erwachsener aus Manderscheid im Wittlicher Vitelliusbad ebenfalls vier Euro Eintritt und keine acht Euro. Bei den Mietpreisen für die Manderscheider Grillhütte sollte es nicht anders sein. mosel@volksfreund.deExtra
Preise: Das kosten Grillhütten anderenorts: Wittlich-Bombogen: Auch hier zahlen Einheimische nur die Hälfte des Preises von 70 Euro, der für Auswärtige gilt. Über den Preis entscheidet dort die Antwort auf die Frage: "Wo kommen Sie her?" Thalfang: Jedermann zahlt für die Anmietung der Grillhütte 50 Euro. Morbach: Der Mietpreis für die Grillhütte beträgt 50 Euro ohne Unterschiede bezüglich des Wohnortes. Bernkastel-Kues: Für die Anmietung der städtischen Grillhütte (Rosenberghütte) zahlen Einheimische und Auswärtige 60 Euro. Rechtsprechung: Eine deutsche Autofahrerin hat bei der EU-Kommission gegen ungleiche Mautgebühren für den Felbertauerntunnel in Österreich geklagt. Das österreichische Mautrecht erlaubt höhere Preise für Fahrer mit ausländischem Kennzeichen. Die Europäische Kommission hat Österreich am 25. September förmlich dazu aufgefordert, das Mautsystem zu ändern, um es mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung in Einklang zu bringen. Sollte Österreich dieser Aufforderung innerhalb von zwei Monaten nicht nachkommen, wird die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage einreichen. cmo
