Netz für Flüchtlinge wird dichter - Initiative bietet unbürokratische Hilfe an

Wittlich · Alles, was sie besitzen, passt in ein paar Plastiktüten. So kommen viele Flüchtlinge in Wittlich an. Sie sprechen kein Wort Deutsch, kennen sich nicht aus. Das Netzwerk Flüchtlingshilfe Wittlich will die Neuankömmlinge auffangen. Gesucht werden Freiwillige, die sie im Alltag begleiten und ihnen helfen, die neue Sprache zu lernen.

 Ekaterina Graf beim Deutschunterricht mit Mohamad Rabeajawad (re) Maher Alfaraj (hinten links) und Najeeb Abazeed im Generationenhaus. TV-Foto: Klaus Kimmling

Ekaterina Graf beim Deutschunterricht mit Mohamad Rabeajawad (re) Maher Alfaraj (hinten links) und Najeeb Abazeed im Generationenhaus. TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Die ersten Schritte in Wittlich führen die beiden jungen Männer aus dem Kosovo zur Bank, zum Einkaufen und zu ihrer neuen Wohnung. Aber die beiden 19-Jährigen sind nicht alleine unterwegs: Wolfgang Schmitt-Kölzer begleitet sie. In den vergangenen zwei Wochen war er mit den beiden Kosovaren im Laden "Kaufen mit Herz" des Kinderschutzbunds in der Burgstraße gewesen, wo sie Kleidung erhalten haben. "Und wir waren bei der Tafel." Schmitt-Kölzer ist einer der inzwischen acht Wittlicher, die mit neu angekommenen Flüchtlingen die ersten Wege in der Stadt gemeinsam gehen.
Diese Art der Hilfe bietet das Netzwerk Flüchtlingshilfe Wittlich an, das die Stadtverwaltung initiiert hat und das der Kinderschutzbund im Mehrgenerationenhaus koordiniert. Nachdem drei weitere Initiativen hinzugekommen sind, besteht es aus acht Partnern (siehe Extra). "Das Netzwerk entwickelt sich rasend schnell", sagt Michaele Schneider vom Kinderschutzbund. Die Idee sei beliebig erweiterbar. "Wir sind kein exklusiver Klub."
Das Netzwerk habe das Ziel, Menschen schnell und wirkungsvoll zu begleiten, sagt Schneider beim Infoabend des Netzwerks im Mehrgenerationenhaus (MGH) in Wittlich. "Wir wollen auch die große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung besser bündeln." Um dies leisten zu können, sucht das Netzwerk weitere Ehrenamtliche und qualifiziert sie auch. Mögliche Einsatzgebiete sind Orientierungshilfe im Alltag, die Begleitung zum Arzt oder zu Behörden und Unterstützung bei sprachlichen Problemen.
"Uns geht es um die Menschen, die in Wittlich ankommen", sagt Schneider. 29 Flüchtlinge sind es bereits in diesem Jahr, 23 von ihnen stammen aus dem Kosovo, jeweils drei aus Syrien und Bosnien. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 72, darunter jeweils mehr als zehn aus Eritrea und Syrien. Von ihnen sind inzwischen die meisten asylberechtigt. Insgesamt 45 Flüchtlinge warten noch darauf, dass ihr Antrag positiv beschieden wird. Oft sind es Familienväter, die ihre Kinder und Frauen in einer unsicheren Situation zurücklassen, weil der Fluchtweg zu gefährlich für sie ist. Sie sind traumatisiert, voller Ängste, Zweifel und Ungewissheit.Begleiter im Alltag


Anfangs habe er sich vor der Verantwortung geängstigt, gesteht Schmitt-Kölzer. "Ich hatte mich als Begrüßungspate verstanden - jetzt bin ich Alltagsbegleiter." Die Bedenken seien nach kurzer Zeit weg gewesen, beruhigt er die 23 Männer und Frauen im MGH. "Die Aufgabe ist zu bewältigen", verspricht er. "Es gibt überall Menschen, die uns unterstützen." So habe er auch einen jungen Kosovaren gefunden, der seit eineinhalb Jahren in Deutschland lebt. "Er begleitet uns jetzt als Dolmetscher."
Denn ein besonderes Hindernis für die Flüchtlinge sei die Sprache. Das Problem: Einen kostenfreien Intensivsprachkurs erhalten sie erst, wenn ihr Asylbegehren positiv beschieden ist. Das sei aktuell bei vier Syrern der Fall. "Im April beginnt ein neuer Kurs", sagt Schneider. Doch der sei voll, so dass sie frühestens im Herbst teilnehmen könnten. Freiwillige im Netzwerk bieten daher sogenannte Sprachtreffs an, in denen sie einfache deutsche Alltagssprache vermitteln.
"Die Sprachtreffs wachsen explosionsartig", sagt Schneider. "Wir haben vor drei Wochen mit einem Kurs und fünf Leuten angefangen. Inzwischen sind es vier Treffs mit 26 Menschen." Was sie besonders freut: Die Flüchtlinge unterstützen sich gegenseitig. "Menschen, die schon Sprachkurse besuchen, helfen denen, die gerade erst angekommen sind." Dazu trage auch das Internationale Café jeden Donnerstag im MGH bei. Hier treffen sich Alltags- und Sprachbegleiter mit den Flüchtlingen. Sie unterhalten sich, spielen und kochen miteinander.
Das Café gefalle den beiden Kosovaren besonders gut, sagt Schmitt-Kölzer. Zweimal haben sie es bereits besucht. Nun möchten sie auch Deutsch lernen.Extra

Im Netzwerk Flüchtlinge sind die Stadtverwaltung Wittlich, der Kinderschutzbund, evangelische, katholische und islamische Gemeinden, die Wittlicher Brücke (ein Gemeinschaftsprojekt der Ehrenamtsagentur Bernkastel-Wittlich und der Stadt), der Sport- und Kulturverein Integra und die Volkshochschule gemeinsam aktiv. Geplant ist eine enge Vernetzung mit den bestehenden Angeboten der Migrationsdienste, Vereine und sozialen Einrichtungen. Gestartet ist die Initiative Anfang Februar mit einem Runden Tisch. Die Idee stammt von der Stadtverwaltung, weil der Bedarf aufgrund steigender Flüchtlingszahlen groß ist. Die Koordination übernimmt der Kinderschutzbund im Mehrgenerationenhaus Wittlich. Termine: donnerstags, 12 Uhr Kochtreff, 15 Uhr Café International. Die Teilnahme ist kostenfrei. mehi Weitere Informationen beim MGH, Kurfürstenstraße 10, Telefon 06571/2110, E-Mail: info@dksb-wittlich.deExtra

"Topfit für Flüchtlinge" nennt sich die Schulung, die das Wittlicher Netzwerk in Zusammenarbeit mit dem Mehrgenerationenhaus in Saarburg anbietet. Sie vermittelt Fachkenntnisse für die Arbeit mit Flüchtlingen. Die Ausbildung ist modular aufgebaut und beinhaltet 40 Stunden, die berufsbegleitend absolviert werden können. Beginn ist Ende April. Die Teilnehmer erhalten ein Zertifikat, das sie bei Behörden, Schulen, Ärzten ausweist.mehi

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