Neues vom Sorgenkind

Anwohner der Neustraße haben sich, mit einem Brief und einer Unterschriften-Liste an die Stadt gewandt. Sie klagen über Lärm, den kinderreiche Familien im Sommer auf der Straße zum Teil bis in die Nacht hinein gemacht haben. Bürgermeister Ralf Bußmer weist auf fehlende rechtliche Mittel hin und setzt auf verstärkte Kontrollen der Polizei.

 Sorgenkind Neustraße: Lärm bis tief in die Nacht von Familien mit Migrationshintergrund nervte im Sommer die Anwohner. TV-Foto: Marion Maier

Sorgenkind Neustraße: Lärm bis tief in die Nacht von Familien mit Migrationshintergrund nervte im Sommer die Anwohner. TV-Foto: Marion Maier

Wittlich. Schon seit Jahren ist die Neustraße ein Sorgenkind der Stadt. In der Vergangenheit drehte sich die Diskussion darum, dass Geschäfte sich dort oft nur schwer halten können. Doch das Sorgenkind macht noch andere Probleme. Eine Liste mit 15 Unterschriften und einem vorsichtig verfassten Hilferuf, in dem der Lärm in der Straße beklagt wird, landete vor wenigen Monaten bei Bürgermeister Ralf Bußmer. Als Lärmquelle werden in dem Brief mehrere kinderreiche Familien mit Migrationshintergrund ausgemacht, die an warmen Abenden bis gegen Mitternacht auf der Straße für Krach sorgten. „Wir sind nicht ausländerfeindlich“

Die bis zu 15 Kinder von geschätzten zwei bis zwölf Jahren zankten, tobten und brüllten bis in die Nacht, heißt es. Mit den Müttern zu reden, habe nichts gebracht. Ordnungsamt und Polizei hätten auch keine Abhilfe schaffen können. Dem TV erklärt die Verfasserin des Briefs, Gisela Houzenga: „Wir sind nicht ausländerfeindlich. Wären unsere Nachbarn Müllers oder Meiers, wäre es dasselbe. Irgendwann muss abends doch mal Schluss sein.“ Balkon und Schlafzimmer von Houzengas Wohnung gehen zur engen, Hall-verstärkenden Neustraße raus. Abends draußen zu sitzen oder auch zu schlafen sei kaum möglich, sagt Houzenga.

In Bußmers Antwortschreiben an Houzenga und alle anderen Unterschreiber heißt es: „Es liegt nicht an unserem guten Willen, dass noch keine durchgreifende Verbesserung der Situation gelungen ist, sondern an den fehlenden rechtlichen und tatsächlichen Mitteln.“ Es hätten schon unzählige Gespräche mit Polizei und Jugendamt stattgefunden. Der geringe Anpassungswille der Familien lasse alle Lösungsansätze im Keim ersticken. Bußmer hofft auf Einkaufszentrum Alles, was der Bürgermeister den Anwohnern im Brief anbieten kann, ist, dass er Ordnungsbehörde und Polizei gebeten habe, die Neustraße verstärkt ins Blickfeld zu nehmen. Zudem setzt er seine Hoffnung auf das neue Einkaufszentrum und die geplante Passage zur Altneugasse. Sie sollen zu Folgenutzungen in der Neustraße führen, die Modernisierungsbereitschaft der Hauseigentümer stärken und zu einer höherwertigen Nutzung führen.

Auf TV-Nachfrage, was konkret wegen der Störung der Nachtruhe unternommen worden sei, antwortet der Pressesprecher der Stadt, Ulrich Jacoby: „Es ist schwer, überhaupt greifbare Verstöße festzuhalten.“ Die Verfolgung der Verstöße scheitere dann aber am Alter der Kinder. Nur die Eltern könnten hier durch aktive Mithilfe weiterhelfen. Jacoby verweist an das Jugendamt, das eingeschaltet worden sei. Auch beim Thema Integration nennt Jacoby die Kreisverwaltung als Ansprechpartner. Dort erklärt Pressesprecher Alfons Kuhnen: „Integrationsprobleme liegen nicht originär in der Zuständigkeit des Kreises, das geht auch die Stadt an.“ Generell sei das Thema Integration eine freiwillige Sache. Der Integrationsbeauftragte des Kreises, der vor einigen Monaten benannt wurde, solle helfen, das Integrationskonzept, über das der Kreistag in der nächsten Sitzung diskutiert, umzusetzen. Das Konzept soll zusammen mit Verbandsgemeinden und Städten erarbeitet werden, da es um Maßnahmen mit Vereinen und Selbsthilfegruppen vor Ort gehe. Auf die Frage, was das Jugendamt in der Neustraße unternommen habe, sagt Kuhnen: „Es hat Kontakt zu den Familien aufgenommen, mehr kann ich aus Datenschutzgründen nicht sagen.“ Der TV konnte die betreffenden Familien nicht erreichen.

Meinung

Mehr als Recht und Ordnung

Egal, wer nachts dort Krach macht, wo andere Menschen schlafen wollen, für ihn gelten die gleichen Gesetze wie für alle Bürger in Deutschland: Von 22 bis 6 Uhr muss der Lärmpegel auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Familien mit Migrationshintergrund sind da nicht ausgenommen. Auch bei ihnen muss auf der Einhaltung der Gesetze beharrt werden. Doch Ruhestörungen sind bei den Problemen in der Neustraße nur ein kleiner Punkt eines riesigen Spektrums. Die Frage ist: Inwieweit sind diese Familien überhaupt in unserem Land angekommen beziehungsweise integriert? Da geht es um Sprache, Kenntnisse der deutschen Kultur, aber auch Ausbildung und Arbeit insbesondere für die heranwachsende Generation. Eine Stadt mit 19 000 Einwohnern, zu denen einige Migrantengruppen gehören, kann es sich nicht leisten, da wegzuschauen. Folgeprobleme könnten viel schwerer wiegen als Ruhestörung. Prävention ist an dieser Stelle sicherlich preiswerter als Nachsorge. Das Thema Integration sollte in der Wittlicher Stadtpolitik - so wie in Bombogen beim runden Tisch für Aussiedler - aktiv angegangen werden. Die Grünen im Stadtrat planen immerhin, einen Antrag für einen Integrationsbeauftragten in der Stadt zu stellen. Gut, wenn der Kreistag am 29. Oktober ein Integrationskonzept beschließt, in das Verbandsgemeinden und Städte eingebunden werden sollen.

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