Prozess nach spektakulären Verfolgungsjagden an der Mosel: Waghalsig und überflüssig

Wittlich · Wegen zwei spektakulärer Verfolgungsjagden steht ein junger Mann vor Gericht in Wittlich. Hätte er einfach angehalten, wäre alles anders.

"Sie haben riesiges Glück, dass niemandem etwas passiert ist", sagt der Vorsitzende Richter Thomas Keich bei der Urteilsverkündung zum Angeklagten. "Sonst stünden Sie jetzt wegen Totschlags vor Gericht." Doch auch so ist die Liste der Fälle, in denen der 23-Jährige angeklagt wird, lang genug: Straßenverkehrsgefährdung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, versuchte gefährliche Körperverletzung, Nötigung und Verstoß gegen das Waffengesetz - alles im Rahmen zweier Verfolgungsjagden, die er sich im vergangenen Jahr mit der Polizei geliefert hat. Dabei hätte der Angeklagte einfach anhalten können - in beiden Fällen hat er sich vor der rasanten Flucht keines Verbrechens schuldig gemacht.

Im Rahmen einer "verfahrensabkürzenden Absprache" legt der Angeklagte zu Beginn des Prozesses vor dem Schöffengericht Wittlich ein ausführliches Geständnis ab, um eine mildere Strafe zu erhalten. Ende Oktober sei er mit zwei Freunden im Auto unterwegs gewesen. Die Mutter der Mitfahrerin habe geglaubt, ihre Tochter sei nicht freiwillig mitgekommen und habe der Polizei eine Entführung gemeldet.

Als die Polizei kontrollieren wollte, ob etwas an den Vorwürfen dran ist, sei die Mitfahrerin in Panik geraten und habe immer wieder geschrien: "Nein, keine Polizei!" Darum sei er zu seinem Elternhaus geflohen, um dort die Situation zu klären. "Ich bin jetzt schon einige Jahre dabei, aber so eine rasante Verfolgungsjagd habe ich noch nie erlebt", erzählt einer der Polizisten, der als Zeuge aussagt. Mit bis zu 150 Kilometern pro Stunde soll er über Wirtschaftswege und durch Ortschaften gerast sein, bevor die Beamten ihn festnehmen konnten.

Bei der zweiten Verfolgungsjagd im November soll er zunächst Beifahrer seiner vorherigen Mitfahrerin gewesen sein. Zwei Polizisten wollten sie anhalten und kontrollieren, da der Auspuff und ein Rücklicht kaputt gewesen seien, erzählen diese vor Gericht. Doch die Mitfahrerin, gegen die ein eigenes Verfahren in Daun läuft und die in Wittlich die Aussage verweigert, fühle sich von korrupten Polizisten verfolgt, erklärt der Angeklagte. Darum sei sie erneut "hysterisch" geworden und der Polizei davon gerast.

Da er ihre Geschichte geglaubt habe, habe er das Steuer übernommen. Während der Verfolgung soll er ein Brecheisen nach dem Polizeiwagen geworfen und diesen zwei mal gerammt haben, bevor er festgenommen werden konnte. Außerdem soll er mit Vollgas auf einen der Polizisten zugefahren sein, sodass dieser sich nur mit einem Sprung zur Seite retten konnte.

Das alles gesteht der Angeklagte. Er streitet jedoch ab, die Schreckschusspistole, die später im Auto der Mitfahrerin gefunden wurde, dort verstaut zu haben. Das hatte die Mitfahrerin behauptet, an deren geistiger Gesundheit aber Zweifel bestehen. Das Verfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz wird eingestellt.

Das Gericht verurteilt den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Außerdem wird ihm die Fahrerlaubnis für ein Jahr entzogen und jeglicher Kontakt zu der Mitfahrerin verboten. Wegen der verfahrensabkürzenden Absprache wird das Urteil erst nach einer Woche rechtskräftig. "Setzen Sie sich nicht ans Steuer", warnt Richter Keich. "Das wäre das Dümmste, was sie nun tun könnten."

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