Sie haben ihr Herz an Brasilien verloren

Trier · Deutsche und Brasilianer - verstehen sich Menschen aus zwei so unterschiedlichen Ländern überhaupt? Ja. Dafür sind Joana Darc da Conceicao und Ralf Doess der lebende Beweis. Die Brasilianerin ist mit dem Trierer, der in Wittlich arbeitet, verheiratet. Sie unterstützen ein Straßenkinderprojekt in Recife, der Heimatstadt von Joana. Dort verbringen sie auch gerade ihren Urlaub.

 Sie brennen nicht nur während der Fußball-Weltmeisterschaft für Brasilien: Joana Darc da Conceicao und Ralf Doess. TV-Foto: Cordula Fischer

Sie brennen nicht nur während der Fußball-Weltmeisterschaft für Brasilien: Joana Darc da Conceicao und Ralf Doess. TV-Foto: Cordula Fischer

Trier. Es war keine einfache Zeit, die Joana in den ersten Jahren in Deutschland erlebt hat. 1992 kam die Brasilianerin - der Liebe wegen - aus Recife zuerst nach Nürnberg, dann nach Trier. Ihre zwei Töchter ließ sie in ihrer Heimat zurück, ihre Ehe scheiterte, sie sah sich Anfeindungen wegen ihrer Hautfarbe und - noch unglaublicher - wegen ihrer fröhlichen, aufgeschlossenen Art und ihrer Lebensfreude ausgesetzt. Doch die 50-Jährige hat nicht aufgegeben. "Ich kann nicht ändern, dass ich so aussehe und wie ich bin", sagt sie und berichtet, wie sie Kontakt mit der damaligen Trommelgruppe Samba Tormenta aufnahm. Die hatte Ralf Doess, der in Wittlich arbeitet, 1997/98 gegründet. Eine schicksalhafte Begegnung, denn heute sind die beiden, nachdem sie einige Hürden nehmen mussten, verheiratet. "Jetzt schauen wir nur noch nach vorne", sagen die beiden.
Den ersten großen Auftritt hatte Samba Tormenta 1998 im Brunnenhof, die Gruppe reiste zum Rheinland-Pfalz-Tag und zum Internationalen Samba-Festival nach Coburg - es lockt laut Veranstalter jährlich am zweiten Juliwochenende 200 000 Besucher in die fränkische Stadt. In diesem Jahr gibt es dort die 23. Auflage vom 11. bis 13. Juli. Ralfs Augen strahlen, als er davon berichtet. "Ich war in meinem früheren Leben Brasilianer", sagt er. Und ebenso ist ihm sein Bedauern anzumerken, wenn er über die Auflösung der Gruppe erzählt. "Das war viel Arbeit", aber immer weniger Brasilienfans wollten Aufgaben im Verein übernehmen. Das Restguthaben musste laut Satzung des gemeinnützigen Vereins einem guten Zweck zugeführt werden. Die Spende erhielten 2004 die Barmherzigen Brüder von Maria Hilf, die für das Brüderkrankenhaus, die Santa Casa in Maringá (Brasilien) bestimmt war.
Ralfs Herz schlug in den 1990er Jahren schon für Brasilien, "mich hatten das Land, die Leute und die Kultur interessiert", sagt der 55-Jährige. Als er später nach Südamerika reiste, fand er sein Gefühl bestätigt: "Da ist so viel Gastfreundschaft, Wärme, die Menschen sind sehr offen, das ist Liebe pur, die einen empfängt, wenn man den Kontinent betritt." Trotz aller Probleme, um die er und Joana auch wissen. Etwa aus einem Straßenkinderprojekt, das sie 2010 in Joanas Heimatstadt Recife kennengelernt haben. Gooolgatha ("das Tooor zum Leben") heißt es und ist ein Projekt von "Kinder helfen Kindern" des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Zusammenarbeit mit der Allianz-Mission. Ebenfalls seit 2010 besuchen sie die Gottesdienste der freien evangelischen Gemeinde in Trier, wo eines Sonntags genau dieses Projekt vorgestellt wurde. "Da wussten wir, das kann kein Zufall sein." Gooolgatha hilft, Kinder, die sich ohne Familie auf der Straße durchschlagen, vor einer weiteren Abwärtsspirale aus Drogen, Gewalt und Kriminalität zu bewahren. Sport, insbesondere Fußball, ist dafür der Türöffner. "Wir wollen da eine Brücke zwischen unseren Ländern bauen, die Bestand fürs Leben hat."
Ende Mai waren Joana und Ralf Mitinitiatoren eines Benefiz-Fußballspiels in Mehring, wo die Freizeitmannschaft der Freunde des brasilianischen Fußballs gegen eine Mannschaft des Gooolgatha-Projekts aus Recife spielte, die durch Deutschland tourte.
Am 10. Juni sind Joana und Ralf nach Recife gereist - um auch das Sozialprojekt zu besuchen, natürlich aber, um Joanas Familie, Mutter, Töchter, Enkelkinder zu sehen. Und Fußballfan Ralf wird am 26. Juni im Stadion von Recife der deutschen Nationalmannschaft die Daumen drücken, die dort gegen die USA antritt - die brasilianische Flagge hat er natürlich auch dabei. Die WM - Joana findet kritische Worte. "Mit Recht gehen die Menschen auf die Straße. Es werden Milliarden Euro für die Stadien, Hotels ausgegeben, aber den Menschen, die dort leben, hilft das nicht. Die großen Konzerne verdienen an der WM, die armen Leute nicht." Dennoch haben Joana und Ralf Hoffnung: "Das Land braucht unbedingt den WM-Titel, um Stabilität zu erlangen", damit die Menschen Wege aus der Armut und sozialer Ungerechtigkeit finden. Ihren Teil tragen sie dazu bei, denn sie haben ihr Herz an Brasilien verloren.

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