Specht im Paragrafen-Dschungel

Als Erna und Josef Haubrich einen verletzten Grünspecht zum Tierarzt bringen wollten, verendete er auf der Fahrt dorthin. Das deutsche Gesetz verbietet den beiden nun, das Tier ausstopfen zu lassen.

 Erna und Josef Haubrich verstehen die Welt nicht mehr. Das deutsche Gesetz verbietet den beiden nun, einen Grünspecht ausstopfen zu lassen. TV-Foto: Petra Geisbüsch

Erna und Josef Haubrich verstehen die Welt nicht mehr. Das deutsche Gesetz verbietet den beiden nun, einen Grünspecht ausstopfen zu lassen. TV-Foto: Petra Geisbüsch

Bergweiler. Erna und Josef Haubrich waren unterwegs zum Großeinkauf nach Zell, als sie Zeugen eines Unfalls wurden: Unmittelbar vor ihnen fuhr ein Wagen über einen auf der Fahrbahn sitzenden Vogel. Die Haubrichs hielten an und sahen nach, ob sie noch etwas für das Tier tun könnten, und siehe da: Tot war er nicht, der hübsche Grünspecht, aber so verletzt, dass das Ehepaar beschloss, ihn zu einem Tierarzt zu bringen. "Egal, was es kostet." Die Haubrichs haben ein Herz für Tiere, besonders für Vögel, und es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sie auf eigene Rechnung einen gesund gepflegt hätten."Auf der Fahrt zum Tierarzt ist der Specht aber gestorben", erinnern sich die beiden. Weil er gar zu schön aussah, hatten sie die Idee, ihn ausstopfen zu lassen. Sie froren das Tier kurzerhand in mehreren Tüten ein und fragten bei einem jagenden Kollegen nach, wer denn in der Nähe als seriöser Tierpräparator arbeitet. Die Haubrichs wurden zu Matthias Müller nach Gilzem verwiesen, ein Mann, der sich, ganz wie sie selbst, eigentlich lieber mit den lebenden als mit den toten Tieren beschäftigt: Einen großen Teil seines Lebensunterhaltes bestreitet er durch eine Tierauffangstation für kranke und verletzte Tiere.Was Josef Haubrich von Müller erklärt wurde, ließ ihn ratlos zurück. Er müsse ihm seine Dienste verweigern, alldieweil er generell nur für Schulen oder andere Lehrinstitute aktiv werden dürfe, und auch dann nur aufgrund offizieller Anträge und Genehmigungen der Naturschutzbehörde (vormals ADD) in Koblenz. Als Privatmann könne Haubrich höchstens einen Ausnahmeantrag bei der Unteren Landespflegebehörde in der Wittlicher Kreisverwaltung stellen, die diesen dann nach Koblenz weiterreichen werde. Derweil nähme er den Vogel in Empfang. Seitdem liegt er in dessen sozusagen amtlich genehmigter Kühltruhe auf Eis.Haubrich zog also weiter gen Kreisverwaltung. Inzwischen war er, der ursprünglich nichts weiter im Sinn gehabt hatte, als ein verletztes Tier zu heilen, reichlich aufgebracht ob der zahllosen bürokratischen Hürden, die ihm da entgegentraten. Er sollte mit seinem Misstrauen Recht behalten: Bei der Kreisverwaltung geriet er mit dem Sachbearbeiter in die Haare, als der ihm sagte, als Privatmann hätte er in jedem Fall den Vogel, verletzt oder tot, nicht "aus der Natur entnehmen" dürfen. "Auch nicht, um ihm das Leben zu retten?" Nein, auch dann nicht, lautete die klare Antwort. Zum Schutz seltener Tierarten, zu denen auch der Grünspecht gehört, habe der Gesetzgeber strenge Vorschriften erlassen, nach denen lebende wie auch tote Tiere unter seine besondere Obhut gestellt werden.Im Bundesnaturschutzgesetz Paragraph 43, Absatz 5, liest sich das folgendermaßen: Tiere einer besonders wie auch einer streng geschützten Art dürfen nur dann der Natur entnommen werden und einer Präparation zugeführt werden, "wenn der Einsatz des Präparats zwingend einem anerkannten Forschungs- beziehungsweise Lehrauftrag" dient. Voraussetzung bei einer streng geschützten Art ist "vor der Auftragsvergabe an einen Präparator eine Ausnahmegenehmigung bei der Unteren Landespflegebehörde". Für Dekorationszwecke generell unzulässig

Der Verkauf von Tierpräparaten wird in den Präparationsgenehmigungen meist ausgeschlossen; für Dekorationszwecke wie im Falle Haubrich, der den Specht in den eigenen Flur gehängt hätte, ist die Verwendung generell unzulässig. Matthias Müller ergänzt: Ja, auch er müsse seine Exemplare zum reinen Präparationspreis an interessierte Schulen verkaufen.Der Grünspecht als Stein des Anstoßes liegt in Gilzem auf Eis. Da kann er noch lange liegen, ungeachtet des Unverständnisses seiner verhinderten Retter aus Bergweiler, die nur Gutes im Sinn hatten, als sie das verletzte Tier zum Tierarzt schaffen wollten.

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