Stimmung, Maß und glasige Augen

Wittlich · Für viele ist das Bungert Oktoberfest ein Ereignis, auf das sie sich als Gäste das ganze Jahr freuen. Was hinter den Kulissen passiert, bleibt den meisten verborgen. TV-Mitarbeiterin Julia Schneider hat es erlebt und berichtet darüber.

Wittlich. 18 Uhr, ein Samstagabend. Im Festzelt des Bungert Oktoberfestes in der Röntgenstraße ist es noch still. Die Tische sind sauber, die Bänke stehen ordentlich in Reih und Glied. Leise Stimmungsmusik im Hintergrund lässt erahnen, was sich in den nächsten Stunden abspielen wird. Die ersten Besucher betreten teils lachend, teils zaghaft den Holzboden des großen Zeltes. Nur selten ist jemand darunter, der nicht in Dirndl oder Lederhose gekleidet ist. Mit der Zeit nehmen immer mehr Gruppen Platz an ihren reservierten Tischen. Es dauert nicht lange, bis die ersten durstigen Gäste den Weg zur Theke finden, um sich mit Getränken zu versorgen.
Mehrere Kilo in einer Hand


Jetzt beginnt meine Arbeit. Nachdem ich die Bestellung entgegengenommen habe, warte ich am Zapfhahn auf die sechs Maß Bier, die für mich abgefüllt und mir in die Hand gedrückt werden. Mit geschätzten sieben Kilogramm an jeder Hand schlängele ich mich an meinen Kollegen vorbei und stelle die Krüge auf der Theke ab. Zusammenstöße können oft nicht vermieden werden, aber das ändert nichts an unserer guten Laune.
Das Zelt wird immer voller. Die Band beginnt zu spielen. Schon nach wenigen Sekunden tanzen die gut gelaunten Gäste auf den Bänken. Aber ich kann das Geschehen nicht lange beobachten, denn immer mehr Oktoberfestbesucher verlangen nach Nachschub. "Ein Bier bitte." Diesen Satz höre ich an einem Abend hundertfach. Da es an den acht Zapfhähnen der Theke auch vier verschiedene Biere gibt, muss ich genauso oft nachfragen, welches davon gewünscht wird. Ab und zu blicke ich in ratlose Gesichter, als ich den Gästen das Bier überreiche: "Ich hatte doch Cola-Bier bestellt, kein Radler!" Mist. Rückzug, Fehler korrigieren, freundliche Entschuldigung. Auf die verschiedensten Arten bestellen die Festbesucher ihre Getränke: Nicht nur durch Lächeln, Winken oder Rufen versuchen die Gäste, meine Aufmerksamkeit zu erregen. Manchmal habe ich im Vorbeigehen auch eine Hand im Gesicht, die mir ungeduldig einen Stapel Bons unter die Nase hält.
Gegen 22 Uhr wird der Betrieb vor der Theke allmählich weniger, die Party im Festzelt ist voll im Gange. Ich beobachte tanzende Männer und Frauen, die sich in Gesangsduellen messen und jedes Lied auswendig mitgröhlen. Die Zeit vergeht, der Alkohol fließt, und ich blicke in mehr und mehr müde Gesichter und glasige Augen. Schmunzelnd stelle ich fest, dass manch beschwipster Gast mir einen Fünfzigeuroschein - oder gleich sein ganzes Portemonnaie - hinhält, um das Bier zu bezahlen. Aber Bares ist tabu. Bezahlt wird nur mit Bons.
Die Reihen lichten sich. Einige Party-Veteranen feiern bis zum Schluss mit der Band, die sich um halb zwei morgens verabschiedet. Nachdem alle Gläser eingesammelt und die Tische gereinigt sind, nehmen auch wir, das Thekenpersonal, Abschied. Müde und gestresst, aber trotzdem gut gelaunt verlassen wir das große Festzelt, das mir mit seiner Party-Stimmung und seinen gut gelaunten Mitarbeitern schon in wenigen Wochen sehr ans Herz gewachsen ist.Extra

Insgesamt 120 Mitarbeiter wirken auf dem Bungert Oktoberfest 2014 mit, davon ist die Hälfte Thekenpersonal. Über 40 Sicherheitskräfte sorgen in und vor dem Zelt für Ordnung. An den vier Theken werden vier verschiedene Biersorten vom Fass gezapft, darunter auch Bitburger Pils. Die drei Paulaner Biersorten (hell, dunkel, Weißbier) werden direkt aus München geliefert. Mit seinen Paulaner Festbieren ist das Oktoberfest in Wittlich das einzige der Region, bei dem Original Münchner Oktoberfestbier ausgeschenkt wird. "Helles" ist der Verkaufsschlager. Auch alkoholfreie Produkte werden in Wittlich immer beliebter. Wo viel Alkohol fließt, gehen auch Gläser kaputt: Pro Abend landen zwischen 100 und 200 Humpen im Glascontainer. Durch den teilweisen Ersatz von Gläsern durch Plastikbecher reduzierte sich das Verletzungsrisiko und der Glasbruch in den letzten Jahren um mehr als 50 Prozent. jas

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