Strampeln gegen den Schweinehund

Wittlich · Radeln im Gefängnis: 55 Inhaftierte und externe Teilnehmer sind beim ersten Jail-Ride in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wittlich auf die Fahrräder gestiegen. Fünf Stunden lang haben sie auf die Zähne gebissen. Die Veranstaltung ist als fester Bestandteil des Sportprogramms geplant.

 Manfred Hausmann, Trainer aus dem 400 Kilometer entfernten Meßkirch bei Sigmaringen, peitscht die Sportler in der Justizvollzugsanstalt Wittlich an. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Manfred Hausmann, Trainer aus dem 400 Kilometer entfernten Meßkirch bei Sigmaringen, peitscht die Sportler in der Justizvollzugsanstalt Wittlich an. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Wittlich. "Vier, drei, zwei, eins!" peitscht Trainerin Sarah Hausmann auf ihrem Indoor-Fahrrad von der Bühne 50 schwitzende Radfahrer an, die vor ihr in die Pedale treten. "An Tagen wie diesen" grölen Die Toten Hosen aus den Lautsprechern. Am Samstagmorgen ist es laut in der Turnhalle der JVA. Übers Mikro feuert Instructor Manfred Hausmann die Menge an: "Bleibt dran!"
Sport beruhigt


Seit zehn Uhr strampeln 17 Häftlinge und 38 Radsportler von außen miteinander, sind dabei durch nichts getrennt und in dem Willen vereint durchzuhalten. Fünf Stunden sind angepeilt. Unter den Häftlingen ist auch Jean, 23 Jahre alt, und seit 16 Monaten Insasse der Wittlicher JVA. "Ich mach das für meine Kinder", erzählt er, warum er mitfährt. Seit einer Stunde hält er jetzt schon durch. Mit der Energie sieht es noch gut aus. "Ich tue das als Buße", ergänzt er. Ein anderer Aspekt kommt hinzu: "Sport beruhigt und macht frei von Gedanken."
Personalleiter Rainer Schuler bezeichnet sich selber als sportverrückt. Er hat schon den Gefängnis-Marathon und eine Fußball Schiedsrichterausbildung in der JVA eingeführt. Er ist von der positiven Wirkung des Sports auf die Häftlinge überzeugt. "Sie lernen, den inneren Schweinhund zu treten, an eigene Grenzen zu gehen. Das soll Mut machen für die Zukunft, Respekt und Disziplin fördern." Mit der Einladung der externen Sportler will er Vorurteile abbauen.
Unter ihnen ist auch ein Kollege aus der JVA Koblenz. Franko Heckele findet das Engagement der Wittlicher unterstützenswert. "Da kommt ja was zurück für die Inhaftierten."
Seit eineinhalb Jahren gibt es hinter den Wittlicher Gefängnismauern die Möglichkeit, auf Standrädern zu trainieren. Der 27-jährige Stefan nutzt sie einmal in der Woche. Es bringt ihm Abwechslung, Bewegung und Spaß. Beim Jail Ride hat er sich angemeldet, weil er all das hier gemeinsam mit Leuten von draußen erleben kann.
Dirk Jasbinschek hat den Event organisiert. Sechs Profi-Trainer hat der Sportbeamte der JVA dafür gewonnen, die alle ohne Bezahlung von weit her angereist sind. "Wenn das ein Erfolg wird, streben wir an, es einmal jährlich zu veranstalten."
Für Rosi May, die in der ersten Reihe fährt, ist es ein Erfolg. Sie ist selbst Instuctorin in Mayen und gibt die Bestnote für die Qualität der Wittlicher Veranstaltung. Auch wenn der erste Eindruck von Stacheldraht und vergitterten Fenstern zunächst beklemmend gewesen sei.
Valentina Bugarin aus Frankfurt hat gerade diese Location angelockt. Sie ist schon auf einer Burg, einem Schiff und einem Hausdach gefahren. Jetzt im Knast. "Das ist pure Leidenschaft", lacht sie auch noch in der zweiten Stunde. Zudem dient es einem guten Zweck, nennt Rosi May ein weiteres Argument: Die 40 Euro Startgeld investiert die JVA in neue Sportgeräte. sys

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