Streik im Morgengrauen

Wittlich · Die Wittlicher Firma Franklin Electric hat 80 Mitarbeitern gekündigt. Nachdem Verhandlungen mit der IG Metall abgebrochen wurden, wird der Betrieb bestreikt. Am frühen Donnerstagmorgen traf sich die Belegschaft vor den Toren der Firma.

Wittlich. Donnerstagmorgen, 6 Uhr im Industriegebiet in Wittlich. Es ist noch dunkel, leichter Nieselregen setzt ein. Die Rudolf-Diesel-Straße ist gesperrt. Vor den Toren der Firma Franklin Electric, die zu einem amerikanischen Konzern gehört, der Elektromotoren baut, versammeln sich die Mitarbeiter. Eine halbe Stunde zuvor haben sie die Produktion niedergelegt. Die Belegschaft, die der Industriegewerkschaft Metall angehört, befindet sich im Streik. Die Firma will die Produktion nach Tschechien verlagern und hat 80 Kündigungen ausgesprochen, die im nächsten Jahr wirksam werden. Das will die Belegschaft nicht hinnehmen. Sie demonstriert vor den Toren ihrer Firma. Mit roten Streikschürzen bekleidet rufen sie: "Einen Tarifvertrag wollen wir! Darum sind wir heute hier!". Das Firmengelände selbst gleicht einer Festung. Über Nacht wurden Zäune aufgestellt. Grimmig blickende Security-Mitarbeiter beobachten das Geschehen, während einige wenige Mitarbeiter, die nicht mitstreiken, ins Gebäude huschen. Die Streikenden rufen: "Verräter werden nicht gerne gesehen - macht Euch nicht die Hände schmutzig!". Uwe Zabel von der IG Metall leitet den Ausstand: "Um 5.30 Uhr stand die Produktion still. Wir sind mit der Beteiligung sehr zufrieden, 96 Prozent haben in der Urabstimmung für den Streik gestimmt. Der Arbeitgeber hat die Situation durch sein Verhalten selbst provoziert. Er hat die Verhandlungen abgebrochen." Das Organisationsteam hat Tische und Bänke aufgebaut. Ein Lieferwagen einer Metzgerei trifft ein, Brötchen und Kaffee werden verteilt. Auch für Musik ist gesorgt. Die Liedermacher Dirko Juchem und Manfred Pohlmann singen Freiheits- und Arbeiterlieder. "Wir fordern Sozialpläne für die Mitarbeiter, Abfindungen und einen verlängerten Kündigungsschutz," sagt Zabel, der mit seinem Organisationsteam von Frankfurt angereist ist. Die Gewerkschaft macht sich für einen langen Arbeitskampf bereit. "Wir rechnen mit einer Dauer von bis zu zwölf Wochen," erklärt der Streikleiter und räumt ein, dass der Arbeitgeber natürlich jederzeit die Tarifverhandlungen wieder aufnehmen könne. Viele Leute seien über 20 Jahre im Betrieb und im Schnitt 53 Jahre alt. In dem Alter habe man schlechte Chancen, einen anderen Job zu finden. So wie Margret Mayer, Betriebsratsvorsitzende von Franklin Electric. Sie ist mit den Nerven am Ende: "Mein Arbeitsplatz ist gestern abmontiert worden. Die haben die Maschine einfach abtransportiert, um uns einzuschüchtern. Unsere Chefs sollen endlich an den Verhandlungstisch zurückkehren!" Christian Schmitz vom Deutschen Gewerkschaftsverband in Trier ist als Beobachter dabei: "Es geht hier auch um Industriearbeitsplätze der Region Trier. " Roland Wöffel von der IG Metall in Trier pflichtet bei: "Es soll ein Signal sein. Das lässt sich die Gewerkschaft nicht bieten." Nach der Kundgebung im Industriegebiet fahren die Mitarbeiter in einem Autokorso zur Agentur für Arbeit in der Friedrichstraße, um dort zu demonstrieren. Anschließend geht es in ein Streiklokal nach Dörbach. Für Freitag ist eine Demonstration in Trier geplant. Dann soll ein Umzug durch die Paulinstraße gehen. Anschließend versammeln sich die Mitarbeiter vor der Porta Nigra. In Wittlich mussten am Donnerstagmorgen mehrere Straßen gesperrt werden. Die Polizei war mit 30 Beamten vor Ort. Die Geschäftsführung von Franklin Electric war gestern nicht zu erreichen. Der Anrufbeantworter meldete, dass die Büros nicht besetzt seien. Fotos und ein Dossier über das Thema im Internet:volksfreund.de/franklinExtra

Franklin Electric plant, die Produktion von Motoren für Wasserpumpen von Wittlich bis 2016 nach Tschechien zu verlagern. 100 Mitarbeitern wurde bereits gekündigt. Anfang Oktober waren die Mitarbeiter mit einem Eilantrag vor dem Landesarbeitsgericht in Trier gescheitert. Sie wollten erreichen, dass der Standort in Wittlich nicht geschlossen wird, bevor über einen Sozialplan verhandelt wird (der TV berichtete). 87 Mitarbeiter haben daraufhin Klage gegen die Kündigungen eingereicht. Ihre Klage vor dem Arbeitsgericht Trier in Bernkastel-Kues gegen das Vorgehen der Geschäftsleitung wurde jedoch abgewiesen. Nun zieht der Betriebsrat vor die zweite Instanz, das Landesarbeitsgericht in Mainz. Die Gewerkschaft IG Metall fordert Sozialpläne für die entlassenen Mitarbeiter. red Extra

Warum gehen die Arbeiter in ein Streiklokal? Wenn die Mitarbeiter einer Firma streiken, legen sie nicht die Füße hoch und schlafen lange aus. Stattdessen treffen sie sich an jedem Tag, an dem sie sonst arbeiten würden, in einer Gastwirtschaft, um über die Probleme zu sprechen und Aktionen vorzubereiten. Dazu zählen zum Beispiel Demonstrationen in der Öffentlichkeit. Außerdem ist es wichtig, dass die Streikenden zusammenhalten und über ihre Probleme sprechen. Denn sie stehen ja kurz davor, ihre Arbeit zu verlieren, was für ihre Familien sehr schlimm ist. hpl

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