Thema verfehlt

Mit einem Klavier-Abend und einer Ausstellungseröffnung gestaltete das Kulturamt der Stadt Wittlich in diesem Jahr den Holocaust-Gedenktag. Wenn auch der Abend künstlerisch und musikwissenschaftlich sehr interessant war, konnte er dem thematischen Anlass des Konzertes nur ansatzweise gerecht werden.

 Der russisch-jüdische Komponist Jascha Nemtsov spielte in der Wittlicher Synagoge. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Der russisch-jüdische Komponist Jascha Nemtsov spielte in der Wittlicher Synagoge. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Wittlich. Durchaus übersichtlich war die Anzahl derer, die sich zur Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag 2008 des Kulturamtes der Stadt Wittlich in der Synagoge eingefunden hatten. In der Konkurrenz zu etlichen Kappensitzungen in und um Wittlich hatte der Abend mit Klaviermusik jüdischer Komponisten offensichtlich einen schweren Stand. Was der russische-jüdische Pianist Jascha Nemtsov dem Publikum zu bieten hatte, streifte das Thema des Gedenkens jedoch nur ansatzweise.Das Konzert war gleichzeitig auch die Eröffnung einer Ausstellung mit der Überschrift "Der Zionismus in der Musik", die Nemtsov, wie Kulturamtsleiter Justinus Maria Calleen ausführlich betonte, "exklusiv für Wittlich konzipiert und zusammen gestellt hat." Auf mehreren Tafeln beschreibt Nemtsov die Bemühungen jüdischer Komponisten, in verschiedenster Form ihre ethnischen Wurzeln auch musikalisch zu dokumentieren und zum Ausdruck zu bringen. Leider geschieht das nur durch Bild- und Textmaterial, nicht jedoch durch Klangbeispiele, die etliches verständlicher machen und den Wert der Ausstellung erheblich steigern würden. Der Konzertabend selber befasste sich mit jüdischen Komponisten aus drei Jahrhunderten, angefangen beim Geschwisterpaar Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy bis hin zu Nemtsovs Ehefrau Sarah.In seinen ausführlichen Erläuterungen zu den Werken führte Nemtsov aus, dass der Antisemitismus keine Erfindung der Nationalsozialisten gewesen sei, sondern etwa durch die Schrift "Das Judentum in der Musik" mit Richard Wagner schon einen eifrigen Vorkämpfer hatte. Anhand verschiedenster Werke zeigte der Pianist dann auf, in welch vielfältiger Form jüdische Kultur in Kompositionen etwa von Juliusz Wolfsohn und Joseph Achron, Mieczyslaw Weinberg und Alexander Weprik Einzug gehalten haben. Spätestens bei Weinberg und Weprikbegab sich Nemtsov auf vermintes Gelände. Über beide Komponisten berichtete er, dass diese nach dem dritten Reich von den Stalinisten verhaftet und gefoltert wurden. Es hinterließ einen gewissen Beigeschmack, dass an einem solch klar umrissenen Tag Hinweise darauf kamen, dass andere auch nicht viel besser waren. Da bekamen die drei Sätze aus Erwin Schulhoffs "Suite dansante en jazz", mit denen Nemtsov den Abend beschloss, fast eine Alibifunktion. Schulhoff war der einzige jüdische Komponist des Konzertes, der tatsächlich in einem KZ umgekommen ist. Mit dem Thema der Ausstellung allerdings haben seine Kompositionen nichts zu tun. Begeisterter Beifall würdigte am Ende eine künstlerisch in jeder Hinsicht brillante Leistung, mit der Nemtsov den Abend gestaltet hatte.

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