Vom Himmel ein Licht

WITTLICH. (sos) Sie war 45 Jahre Lehrerin, hat viele Kinder ins Leben begleitet. Vergangene Woche ist Ilse Schlax gestorben. Zuvor fand sie noch die Kraft, eine wunderbare, von der Zuversicht des Glaubens getragene Interpretation des Weihnachtsfensters von Georg Meistermann in der St. Markuskirche zu schreiben: Es ist ihre "Weihnachtspost". Sie wollte, dass der Text veröffentlicht wird.

Wenn die große Gemeinde St. Markus Weihnachten feiert, fällt ihr Blick auch auf das Fenster, das die Wittlicherin einfühlsam beschreibt. Mit ihren Worten öffnet Ilse Schlax vielleicht dem ein oder anderen die Augen für die Sprache der Kunst. Denn das Weihnachtsfenster "Geburt und Anbetung Christi" erzählt ohne Worte eine Glaubensgeschichte. - Und zwar in einer "Bildsprache", mit der damals "der Geist des zwanzigsten Jahrhunderts" in die "alte ehrwürdige Diözese Trier eingezogen" ist, wie in der Einweihungsrede 1949 Prälat Irsch gesagt haben soll. Bildbeschreibung "Der Künstler musste die Gestalten übereinander aufbauen, sie auftürmen. Das geschah in großer Einfachheit, fast Herbheit, in warmen, zurückhaltenden Farbtönen. Zunächst nimmt man nur eine Staffelung von Köpfen und Händen im gedämpften Licht wahr. Von unten nach oben betrachtet wächst aus der Krippe wie aus einer Wurzel das Weihnachtsbild empor. In diesem Raum erdhafter Färbung - braun und grau - stehen Ochs und Esel vor einer leeren Krippe und gemahnen an das Jesaja-Wort: ,Der Ochs erkennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn. Israel aber erkennt mich nicht.' Die beiden Hirten darüber - ein junger und ein alter - sind symmetrisch einander zugewandt. Weit legen sie ihre Köpfe zurück in den Nacken und blicken ergriffen auf zum Kind. Hirten galten damals nicht viel; aber sie sind es, die als erste die frohe Kunde von der Geburt hören, und sie sind die ersten, die den Weg zum Neugeborenen finden. Christus zieht sie empor aus der Dunkelheit ihrer Existenz.Das Kind allein blickt den Betrachter an

In umfangender, aufnahmebereiter Gebärde öffnet der junge Hirt seine Arme und weist mit seiner ganzen Hand auf Christus. Es ist, als spüre er die Berührung mit etwas, das mehr als irdisch ist. Der alte Hirt verharrt in seliger Anschauung, legt seine Hand dem Ochsen auf's Maul: ,Du musst hier schweigen. Es ist stille Nacht, heilige Nacht. Heute sind die Engel an der Reihe.' Im Mittelpunkt des Bildes thront das Kind auf dem Schoß seiner Mutter. Das schwache Kind ist nicht schwach. Seine Haltung ist aufrecht und hoheitsvoll. Es handelt. Es schaut mich an - das einzige Antlitz im ganzen Fenster - das mich anschaut. Es trägt die Weltkugel und hält auch mein Leben in seiner Hand. Es segnet mich. Die Mutter Maria umfängt ihr Kind unendlich zart, ohne es festzuhalten oder auch nur zu berühren. Sie birgt es und entlässt es zugleich. Sie gibt es hin. Ihr Blick ist abgewandt. Der Weg ihres Kindes führt über sie hinweg und weit über sie hinaus. Ihr Gesicht ist ernst, vielleicht wehmutsvoll. Ob die unfassbaren Rätsel, die mit dem Kommen ihres Sohnes in diese Welt verbunden sind, sie bedrücken? Ob sie in die Zukunft ihres Sohnes schaut?Hinausleuchten in die Welt

Josef steht im Hintergrund. Seine Augen sind geschlossen; aber er ist ganz wach, konzentriert auf Mutter und Kind und seine neue Aufgabe. In liebender Fürsorge hält er einen Mantel oder ein Tuch ausgebreitet, die beiden schützend und bergend einzuhüllen, sie zu bewahren, ihnen zu dienen mit ganzer Hingabe. Nachtblaue Kulisse - heller oder dunkler im wechselnden Licht - umrahmt von rot-grünen Bändern. Die gekrönten Häupter der drei Könige im oberen Feld schließen die Gesamtkomposition harmonisch ab. Der König neben Josef neigt sein Haupt und ist ganz versunken in die Anschauung des Kindes. Der älteste König wirkt abwesend und schaut mit großen, verwunderten Augen. Der Schleier über seinem Gesicht lichtet sich. Sein Blick ist in Himmelsfernen gerichtet und reicht über das Sichtbare hinaus in die unsichtbare Welt Gottes hinein. Ein Licht ist ihm aufgegangen. Er sieht. Er sieht neu. Er sieht in eine ferne, gute Zukunft. Der schwarze König blickt auf zu dem lichten Stern, der ihn geführt hat. Über allem wölbt sich der Himmel in vier Baldachinen in dunklem und hellem Violett - grün durchsetzt mit Blau und ein wenig Rot - und dem Rosa und Weiß der Sterne. Ein Bild der Sehnsucht des Menschen nach einer Welt ohne Hass und ohne Unrecht? Oder ist es die Verheißung für das Leben nach dem Tod, ein Durchblick zur Herrlichkeit Gottes zum "neuen Himmel und zur neuen Erde", wohin wir unterwegs sind als Wanderer zum Licht wie die Könige? Die Fenster stellen die Verbindung her zwischen draußen und drinnen. Was wir draußen erleben, sollen wir hineintragen. Was wir drinnen feiern, soll hinausleuchten in unsere Welt. Mit Christus in der Mitte kann das gelingen." Ilse Schlax

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