Vortrag übers „Saufen für den Führer“

Wittlich/Traben-Trarbach · Wieso hat man in Essen und Duisburg eine Woche Rebensaft aus der Säubrennerstadt getrunken? Der Historiker Dr. Christof Krieger beschäftigt sich mit dem Thema Wein in der Nazizeit und zeigt, was auch Wittlich damit zu tun hat.

 So sah die Nazipropaganda für den deutschen Wein aus. An der Festwoche 1935 nahmen auch Wittlicher Winzer teil, die ihre Erzeugnisse in Essen und Duisburg unters Volk bringen konnten. Foto: Veranstalter/Christof Krieger

So sah die Nazipropaganda für den deutschen Wein aus. An der Festwoche 1935 nahmen auch Wittlicher Winzer teil, die ihre Erzeugnisse in Essen und Duisburg unters Volk bringen konnten. Foto: Veranstalter/Christof Krieger

",Saufen für den Führer' - Die Weinstadt Wittlich im Dritten Reich": Das ist das Thema eines Vortrags, in dem der Traben-Trarbacher Museumsleiter Christof Krieger auf Einladung des Kulturamts der Stadt Wittlich einen auch lokalen Fokus auf ein von ihm erforschtes Thema legt. Immerhin hat er sich intensiv in seiner Doktorarbeit mit der nationalsozialistischen Weinpropaganda an Mosel, Saar und Ruwer beschäftigt. Damit macht man sich nicht nur Freunde: Dass Christof Krieger auch über die Ursprünge des offiziellen Amts einer deutschen Weinkönigin im sogenannten Dritten Reich geforscht hat und dabei herausgefunden haben will, die erste Amtshandlung einer deutschen Weinkönigin sei 1935 die Begrüßung des Gauleiters an der damals ebenfalls getauften deutschen Weinstraße gewesen, sprich dieses Amt sei eine Erfindung der Nazis, hat nicht das öffentliche Echo gefunden, was sich der Historiker erwünscht hätte. Das in dieser Hinsicht hochinteressante Jahr 1935 wird nun auch im Vortrag eine Rolle spielen.
Dazu steht in der Pressemitteilung zum Vortrag: "Unter der eingängigen Parole ,Wein ist Volksgetränk!' entfaltete das NS-Regime in den Friedensjahren des Dritten Reiches eine groß angelegte Weinpropaganda, die das Trinken deutschen Rebensaftes als geradezu nationale Tat beschwor. Und mehr noch: Mitte der 1930er Jahre übernahmen annähernd 1000 Städte von Ostpreußen bis nach Hinterpommern besondere ,Weinpatenschaften' für einzelne Winzerorte, wobei im Rahmen eines im ganzen Reich stattfindenden ,Festes der deutschen Traube und des Weines' vom Parteiapparat der NSDAP aus Solidarität mit dem notleidenden Winzerstand allerorten volkstümliche Weinfeste und Umzüge organisiert worden waren." Übrigens wurden 1935 in der einen Woche angeblich zwölf Millionen Liter Wein getrunken. Der Volksmund taufte die Aktion um in "Saufen für den Führer".
Getrunken wurde der Wittlicher Wein in der offiziellen Festwoche in den Patenstädten Essen und Duisburg. "Die Organisation lief über den Parteiapparat", so Christof Krieger: "Während der Festwoche durfte dann in den beiden Ruhrpottstädten ausschließlich Wittlicher Wein ausgeschenkt werden. Selbst Bierlokale waren dazu gezwungen." Die Winzer seien in die Orte gefahren und wie Ehrengäste empfangen worden. Auch seien aus dem Ruhrgebiet große Gruppen nach Wittlich gereist.
Vor 80 Jahren habe es in Wittlich noch 27 Winzer gegeben — heute sind es noch drei Betriebe. Naturgemäß profitierten nicht nur sie von der Aktion. Generell sollte den teils hoch verschuldeten Winzer, denen es nach Börsenkrach, Einführung der Weinsteuer und schlechten Ernten in der Weimarer Republik schlecht ging, geholfen werden. Immerhin habe es 1934 und auch 1935 Rekordernten gegeben.
"Die Keller waren voll, aber die Winzer hatten kein Geld, deshalb sollten die Rekordweinernten schnell unters Volk gebracht werden. Man kann schon sagen, dass die Nazis dazu beigetragen haben, Wein zum Volksgetränk zu machen, es gab einen Umschwung im Konsumverhalten, vorher war der Wein eher das Getränk der Reicheren", sagt Christof Krieger und: "Das Kuriose ist, dass zum einen Adolf Hitler Abstinenzler war und die Herkunft des Weins auch ideologisch schwer nutzbar war: Der Weinbau ist ja eine Kulturleistung der Römer und nicht der Germanen."
Der etwa eineinhalbstündige Vortrag mit überraschenden Einblicken in ein weithin unbekanntes Kapitel der Lokalgeschichte ist am Freitag, 13. Oktober, 19 Uhr, Casa Tony M., Marktplatz in Wittlich. Anschließend ist Gelegenheit zur Diskussion.
Der Eintritt ist frei. Aufgrund der begrenzten Anzahl von Plätzen wird um Anmeldung (Telefon 06571/171355 oder info@kulturamt.wittlich.de) gebeten.

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