Wenn die Maß zu voll ist

Weit und breit wohnt "kein Mensch". Doch an fünf Wochenenden im Oktober kann das Ehepaar Klein nicht schlafen wegen nächtlicher Nachbarschaft, die sich auch auf ihrem Grundstück austobt, denn nicht alle der 4500 Gäste der Oktoberfest-Nächte im Industriegebiet sind bei Sinnen.

 Zu tief ins Glas geschaut hat mancher Gast. TV-Foto: Harald Jansen

Zu tief ins Glas geschaut hat mancher Gast. TV-Foto: Harald Jansen

Wittlich. "Das Verhalten betrunkener Gäste hat Formen angenommen, die ich so nicht mehr hinnehmen will", sagt Helmut Klein. Er hat die Gäste auch nicht eingeladen. Es sind Menschen, die busweise zum Wittlicher Oktoberfest kommen. "Mancher kommt schon angetrunken hier an mit einem Level, da braucht er noch ein, zwei Maß, dann reicht's", weiß Helmut Klein aus Erfahrung: Im vergangenen Jahr war die offizielle Bushaltestelle direkt vor seiner Tür. Vor seiner Tür war dann auch für viele eine Art öffentliche Toilette.

Jeder hat Verständnis, eine Lösung gibt es nicht


"Die Firma Bungert hat deshalb unser Grundstück komplett mit Bauzaun und Folie umgeben. Dort wurde dann im Rudel gepinkelt", sagt der Mann, der auch heute Nacht zur ausverkauften "Halloween-Party" schon weiß, dass nach Mitternacht die Straßenkreuzung vor seinem Zuhause zum Sammelplatz Betrunkener wird: "Manche sind nicht einmal in der Lage, auf zwei Beinen nach Hause zu kommen."

Dabei habe jeder Verständnis für den Ausnahmezustand, in dem sich Familie Klein an fünf Wochenenden befindet: "Herr Bastgen von der Firma Bungert hat sich sehr engagiert und bemüht, unsere Situation so zu organisieren, dass man damit leben kann. Ich kann Bungert keinen Vorwurf machen, eine Lösung in dem Sinne gibt es nicht. Es ist das Verhalten mancher Gäste, das einmal bekannt gemacht werden sollte."

Die Polizei sei verständnisvoll, das Ordnungsamt der Stadt habe sich gekümmert, aber gegen die "Respektlosigkeit vor dem Eigentum anderer Leute" sei man letztlich hilflos. Dazu zähle nicht nur, dass das gepflegte Gartengrundstück als Toilette und Mülleimer herhalten muss oder schon mal ein Maßkrug an die Schlafzimmerwand flog: Auch akustisch verschaffen sich die Betrunkenen Aufmerksamkeit: Sie singen, schreien, grölen. An Schlaf ist nur mit Ohropax zu denken. "Ich weiß, das ,schöne Oktoberfest', das gibt es. Aber ich kenne seit acht Jahren auch die andere Seite. Dazu gehören auch Schlägereien und Einsätze für Krankenwagen. Das ist nicht so positiv."

Die Schattenseiten der Großveranstaltung für betroffene "Private" bedauern die Veranstalter.

Marc Bastgen von der Firma Bungert hat Verständnis für das Anliegen der Familie Klein. Er sagt: "Wir investieren sehr viel in Sicherheit und Kontrolle. Allein im Außenbereich der Veranstaltung sind acht Mann im Einsatz, die hauptsächlich die sichere An- und die Abreise der Gäste überwachen sowie Notfälle oder Vandalismus sofort der Polizei, die an den betreffenden Abenden mit ein bis zwei Einsatzfahrzeugen vor Ort ist, oder dem im Zelt mit bis zu 16 Mitarbeitern anwesenden Malteser Hilfsdienst, Bescheid geben. Wir versuchen alles Mögliche, das Problem einzuengen, können das aber nur bis zu einem gewissen Grad, da wir nur innerhalb des Zeltes Hausrecht ausüben dürfen."

Wie ist Ihre Meinung zum Thema? Schreiben Sie uns. Ihre Zuschrift sollte maximal 30 Zeilen à 30 Anschläge lang sein und bis heute, 14 Uhr, vorliegen. Fax: 7199439; E-Mail: mosel@volksfreund.de

Meinung

Von Sonja Sünnen

Schattenseite der Festtagslaune

Das Wittlicher Oktoberfest ist eine Massenveranstaltung. Es gilt als das größte in Rheinland-Pfalz. Dass Zigtausende ins Industriegebiet pilgern, spricht für ein erfolgreiches Konzept. Es reicht vom "Familientag" mit sonntäglichem Essen bis zu langen Nächten im Riesenzelt. Das Oktoberfest ist keineswegs eine besinnliche Traditionsveranstaltung, die man in Loden und Dirndl besucht, um Salzbrezeln zu knabbern. Jede Menge Alkohol ist im Spiel, junge Leute wollen sich amüsieren, andere nutzen das Ganze zu dem, was man "Kegelclub-Ausflügen" nachsagt. Die Veranstalter tun viel, um in Grenzen zu halten, was die anrichten, die sich besinnungslos betrinken. Auch wer mit dem Fest, übrigens gilt Ähnliches für Karneval, Kirmes & Co., persönlich nichts zu tun haben will, kann von dessen Folgen betroffen sein, die von Lärm bis Vandalismus reichen. Um das jedoch zu verhindern, müsste man das Fest verbieten. s.suennen@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort