Wildschweinkadaver verrottet acht Tage lang an der B 50 bei Binsfeld - Wer ist zuständig?

Binsfeld · Ein 80 Kilo schwerer Fleischberg in Form eines toten Wildschweins verrottet acht Tage an der B 50 bei Binsfeld. Jagdpächter, Straßenmeisterei, Grundstückseigner, Gemeinde, Polizei: Niemand fühlt sich für die Entsorgung zuständig. Die Einwohner sind genervt - der Jagdpächter handelt.

Binsfeld. Freitag, 3. Oktober, 22.10 Uhr, zwischen Spangdahlem und Binsfeld. Ein 30-jähriger Fahrer aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich rammt auf der dunklen Bundesstraße B 50 mit seinem Wagen ein Wildschwein. Dabei überschlägt sich der Fahrer mit seinem Auto mehrfach. Er bleibt jedoch unverletzt. Durch die Wucht des Aufpralls wird der 80 Kilo schwere Keiler mehr als 20 Meter durch die Luft geschleudert und landet auf einem privaten Acker, wo er sein Leben aushaucht. Die Polizei nimmt den Unfall auf. Im Laufe der Nacht verschwinden das Autowrack, der unverletzte Fahrer und die Beamten von der Unfallstelle. Zurück bleibt nur der tote Keiler auf dem Acker.

Bürger: In der darauffolgenden Woche klingeln bei dem 68-jährigen Binsfelder Werner Pitsch ununterbrochen die Türglocke und das Telefon. Einwohner von Binsfeld beschweren sich bei dem ehemaligen Jagdvorsteher über das tote Wildschwein an der B 50 zwischen dem Ortsausgang und dem Flughafen Spangdahlem. "Die Leute sind halt irritiert und fragen sich: ,Warum räumt das niemand weg\'", sagt Pitsch. "Aber das ist eine komplizierte Angelegenheit." Denn das Wildschwein landet nach dem Zusammenstoß auf dem Acker eines Landwirts, einem privaten Grundstück.

Straßenmeisterei: "Auf privaten Grundstücken haben wir nichts zu suchen", erklärt Thomas Jungels, Straßenwärtermeister der Straßenmeisterei Manderscheid. Im Normalfall kümmert sich der Straßenbetriebsdienst um die Entsorgung der Tierkadaver, die bei Wildunfällen anfallen. Vorausgesetzt: Das Tier liegt auf der Straße oder dem Seitenstreifen. "Es kommt in jedem Fall ganz genau drauf an, wo die Grenzen verlaufen", sagt Jungels.

Jäger: Doch wem gehört das tote Wildschwein? Jagdpächter Rolf Campo sagt: "Das ist eine gesetzliche Grauzone. Wild ist im Prinzip herrenlos. Jäger sind nicht verpflichtet, Fallwild zu beseitigen." Sehr wohl sei aber die Polizei dazu verpflichtet, die Jäger bei einem Wildunfall zu informieren. Denn innerhalb einer Stunde nach dem Unfall - solange das Fleisch noch warm sei - könne man das Tier noch verwerten. Doch in dieser Nacht habe ihn die Polizei nicht über den Wildunfall informiert. Dass die Polizei die Jäger informiere, sei aber auch aus anderen Gründen noch bedeutend, sagt Campo: "Wenn ein Reh bei einem Unfall einen Lauf gebrochen hat und sich fortschleppt, müssen wir es finden. Außerdem wissen wir sonst nicht, wie viel Wild wir im Revier noch abschießen können, da uns die Unfalltiere in der Statistik fehlen."

Polizei: Polizeihauptkommissar Stefan Schmitt sagt: "Die Jagdpächter rufen wir in der Regel nicht mehr an, da sie meist kein Interesse haben, die Kadaver abzuholen." Der Konflikt liege in der Jagdsteuer begründet. In Nordrhein-Westfalen, wo die Pächter hingegen keine 20 Prozent Jagdsteuer auf ihre Jagdpacht zahlen würden, kämen die Jäger die Tierkadaver bereitwillig entsorgen. In Rheinland-Pfalz sei das nicht der Fall. Gesetzlich sind die Jäger im Land dazu nicht verpflichtet.

Das Gesetz: Grundsätzlich dürfe Wild an Ort und Stelle verrotten, erklärt Pitsch. Im Wald und auf dem Feld gebe es mit Füchsen und Raben genügend Aasfresser, die solche Kadaver auf natürliche Art und Weise entsorgen. So formuliert es auch das Landesumweltministerium im Leitfaden "LF 124" zum Umgang mit Fallwild.
Wenn kein Verdacht auf Vorliegen einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit bestehe, dürfe ein verendetes Wildtier grundsätzlich in der Natur bleiben. Nur wenn bei Wildtieren in einem Gebiet eine Tierseuche bekannt sei, müsse das Veterinäramt die Entsorgung beim Zweckverband Tierkörperbeseitigung anordnen. Das wäre zum Beispiel im Fall einer grassierenden Schweinepest, die auch Wildschweine befallen kann, nötig. Dem Gesetz nach hätte der Kadaver bei Binsfeld also auf dem Privatgrundstück verbleiben und verrotten dürfen.
Trotzdem: Jagdpächter Rolf Campo hat den Kadaver letztlich freiwillig entsorgt. Campo: "Das ist eine Frage des Miteinanders. Man macht nicht nur Sachen, zu denen man verpflichtet ist."

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