"Wir sind doch keine Betrüger"

WITTLICH. Die Miete ist gekündigt, die Werbeaufschrift wird von Fenstern und Türen entfernt – in Wittlichs Innenstadt steht ein weiteres Ladenlokal leer: Die Betreiber des Wettbüros "Starbet" sitzen auf gepackten Koffern. Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz drohen ihnen 5000 Euro Bußgeld, falls sie ihr Geschäft noch mal öffnen.

"Wir hatten uns gerade überlegt, eine Aushilfe einzustellen. Eine junge Hartz IV-Empfängerin. Aber dazu kam es nicht mehr", sagen die Betreiber des Wettbüros "Starbet" in der Neustraße enttäuscht. Sie stehen vor dem Aus. Ihre kompletten Ersparnisse von 16 000 Euro haben die Frau aus Speicher und ihr Freund aus Trier in das Wettbüro investiert. Sie wollten sich eine eigene Existenz aufbauen. Im ehemaligen Fahrradgeschäft "Rittel" richteten sie ihr Wettbüro mit Sitzmöbeln ein, ließen eine neue Theke einbauen, kauften Leinwand, Beamer und Computer - die Gäste sollten sich wohl fühlen. Sportwetten aller Art von Fußball über Hunderennen bis Eishockey verkaufte das Paar als Vermittler des österreichischen Wettanbieters "Starbet". An die 20 Gäste hielten sich nachmittags in dem Laden auf.16 000 Euro investiert, nun droht Hartz IV

Die höchsten Einsätze lagen bei 100 Euro, im Schnitt setzten die Bieter 30 Euro. "Ich habe solche Wettbüros in Stuttgart kennen gelernt. In Heilbronn gibt es sogar 17 Wettbüros" , erzählt der Mann. Die Idee war schnell geboren: So was wollte er auch machen. Nachdem ihm Stuttgarter Freunde den Kontakt zu Starbet vermittelt hatten, suchte er mit seiner Freundin einen Standort, wo noch keine Konkurrenten sich breit gemacht hatten. "Da fanden wir Wittlich genau richtig", erzählen die Betreiber, die am 5. Januar diesen Jahres beim Ordnungsamt Wittlich ihr Gewerbe angemeldet hatten. In Feld 15 des Formulars steht da: Anbieten von Internet-Zugang gegen Entgelt und Vermittlung von Sportwetten. Der Startschuss in ein neues Leben. Doch es sollte anders kommen. Die Stadt verbot das Büro, bekam Recht vom Trierer Verwaltungsgericht, dessen Urteil kürzlich vom Koblenzer Oberverwaltungsgericht bestätigt wurde (siehe Hintergrund). Für das Paar ein Schock: "Bei der Stadt hat uns bei der Gewerbe-Anmeldung keiner gesagt, dass solche Büros in Wittlich nicht erwünscht sind und man sie bei nächster Gelegenheit verbieten wird." Doch es dauerte nur ein halbes Jahr, da flatterte den Betreibern eine einstweilige Verfügung der Stadt auf den Tisch: "Das Wettbüro ist mit sofortiger Wirkung zu schließen." "Wir hätten unser Geld dann doch auch in einer anderen Stadt investieren können oder aber über ein anderes Gewerbe in dieser Stadt nachdenken können", sagen die beiden. Nun bleibt ihnen nichts. Für neue Investitionen fehlt das Geld. Die Betreiber verstehen die Welt nicht mehr: "Wir haben keinen Alkohol ausgeschenkt, es gab keine Randale, um 21 Uhr war der Laden dicht. Wir sind doch keine Betrüger." Sie verstehen auch nicht, warum es in Trier nach wie vor private Wettbüros gibt, während ihnen selbst nun wohl nur noch die Aussicht auf Hartz IV bleibt. " Ist es denn in Deutschland verboten, Geld zu verdienen?" Auch das Argument, mit dem Wittlichs Bürgermeister Ralf Bußmer gegen das Wettbüro vorging lassen die beiden nicht gelten: "Dann müsste der Bürgermeister wegen Suchtgefahr auch alle Spielhallen verbieten. Außerdem sind bei Lotto die Gewinnquoten viel schlechter als bei uns - und Lotto kann auch süchtig machen."Obulus für die Landeskasse

Aber Lotto zahlt eben einen nicht unerheblichen Teil seiner Gewinne an das Land. 100 Millionen Euro fließen auf diesem Weg jedes Jahr in die Staatskasse. Der Trend zu privaten Wettbüros ist auch dem Land Rheinland-Pfalz nicht entgangen. "Der Markt droht zu explodieren und muss in geordnete Bahnen gelenkt werden", sagte Finanzminister Ingolf Deubel Anfang November (der TV berichtete). Und mit geordneten Bahnen meint der Finanzminister, dass eben auch private Wettanbieter ihren Obulus in die Landeskasse zahlen müssen. Derzeit muss der Europäische Gerichtshofs (EuGh) über einen ähnlichen Fall aus Italien entscheiden. Sollte der EuGh dabei dem Recht auf freien Wettbewerb den Vorrang vor dem Verbraucherschutz wegen Suchtgefahr einräumen, müsste dieses Urteil auch in der Rechtssprechung in Deutschland beachtet werden. Ob die Wittlicher Wettbüro-Betreiber dann aber eine Chance auf eine Schadensersatz-Klage wegen Gewinnausfall haben, ist damit noch nicht gesagt. LESER-ECHO: Ihre Meinung ist gefragt: Finden Sie es scheinheilig, auf der einen Seite private Wettbüros wegen Suchtgefahr zu schließen, auf der anderen Seite aber Spielhallen und Lotto zu erlauben? Oder ist es Ihrer Ansicht nach genau richtig, diesen Wettbüros so schnell wie möglich den Garaus zu machen? Haben Sie Mitleid mit den Betreibern oder hätten die sich lieber von vorneherein ein seriöseres Geschäftsfeld aussuchen sollen? Mailen Sie uns Ihre Meinung in wenigen Sätzen an mosel-echo@volksfreund. de (Name und Wohnort nicht vergessen). Wir freuen uns auf Ihre Nachricht.

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