Zeit zum Leiten

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Rheinland-Pfalz wirbt für eine Änderung der Landesverordnung zum Kindertagesstättengesetz: In jeder Betreuungseinrichtung für Kinder zwischen null und sechs Jahren soll eine Planstelle für die Übernahme von Leitungstätigkeiten geschaffen werden. Auf die kommunalen und kirchlichen Träger kämen dann höhere Personalkosten zu. Noch steht es den Trägern frei, Erziehungspersonal für Leitungstätigkeiten freizustellen.

Wittlich-Bombogen. Schon heute weiß Bernd Huster, Gewerkschaftssekretär bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Rheinland-Pfalz, was er sich zu Weihnachten wünscht: Gemeinsam mit seinen Kollegen von der GEW möchte er im Dezember der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) eine möglichst lange Unterschriftenliste überreichen. Deshalb warb Huster am Mittwoch auch in Wittlich-Bombogen vor etwa 40 Erzieherinnen und Erziehern für die Unterstützung der GEW-Initiative "Freistellung für Leitungstätigkeiten". "Aufgrund der stetig wachsenden Ansprüche an die Qualität von Kindertagesstätten wird deren Leitung immer anspruchsvoller und zeitintensiver", sagt Huster. Darum fordert die GEW, die Träger von Kindertagesstätten (Kitas) per Gesetz zu verpflichten, in jeder Einrichtung eine Planstelle für die Übernahme von Leitungstätigkeiten zu schaffen. Pro Betreuungsgruppe à 25 Kinder möchte die Gewerkschaft eine viertel Stelle berücksichtigt sehen. Eine Vollzeitstelle fiele also in jeder Einrichtung mit 100 und mehr Kindern an. Laut "Landesverordnung zur Ausführung des Kindertagesstättengesetzes" steht es dem Träger einer Kita gegenwärtig frei, eine Erziehungskraft für Leitungstätigkeiten freizustellen. Was diese unverbindliche Regelung aus Sicht der GEW für die tägliche Arbeit bedeutet, erklärt Erni Schaaf-Peitz, Leiterin der Kita Wittlich-Neuerburg: "Entscheidet sich ein Träger gegen die Freistellung, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder erfolgt die Leitung quasi zusätzlich in der Freizeit durch unbezahlte Überstunden oder die mit den Leitungsaufgaben betraute Kraft fehlt in der Kindergruppe." Als unmittelbare Folge dieser Doppelbelastung beklagt die GEW eine "permanente Unterschreitung" des gesetzlich festgelegten Betreuungsschlüssels: Denn eine Erzieherin, die zwecks Leitungstätigkeit am Schreibtisch sitzt, kann nicht gleichzeitig mit den Kleinen lesen, malen und spielen. Bei einer für Leitungsaufgaben eigens eingerichteten Planstelle könnte die in der Kindergruppe freigewordene Stelle mit einer neuen Erziehungskraft besetzt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt existieren in Rheinland-Pfalz je nach Landkreis und Träger unterschiedliche Regelungen: So stellt die Stadt Wittlich in ihren Kindertagesstätten die mit Leitungsaufgaben betraute Erziehungskraft für 15 Stunden pro Woche vom Dienst in der Kindergruppe frei. Dafür sind im aktuellen Haushaltsplan 36 000 Euro vorgesehen. Der Kreis entscheidet im Einzelfall, ob aus seiner Sicht eine Freistellung gerechtfertigt ist. Auf einen Erfolg der GEW-Initiative hofft auch Patrick Görtzke, Leiter der Kita "Grenzenlos" in Veldenz noch ohne Planstelle. Nur durch Organisation, Teamarbeit und Überstunden aller Angestellten seien seine Leitungs- und Erziehungsaufgaben zu vereinbaren. "Ich kenne aber keinen Kollegen, der seine Überstunden aufschreibt", sagt Görtzke.

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