Zu Hause im Weinberg

Am Altricher Weg, in den Kleingärten hinter der Kurfürstenstraße, am Rommelsbachparkplatz und im Weinberg am Pichterberg hat ein Unbekannter gezündelt. Jetzt versuchte er vergangene Woche seinen sechsten Brand zu legen, was "Kommissar Zufall" verhindern konnte. Welche Bedeutung manches der Häuschen für die Menschen hat, macht eine Geschichte zum angezündeten Weinbergs häuschen deutlich.

 Klein aber sicher: Das Häuschen im Jahr 1945. Foto: Privat

Klein aber sicher: Das Häuschen im Jahr 1945. Foto: Privat

Wittlich. (sos) Werner Marx-Zepp ist eine Geschichte im Gedächtnis geblieben, die er, durch die Brandserie auf ein Weinbergshäuschen aufmerksam gemacht, dem TV geschickt hat. Denn das Häuschen bot gegen Kriegsende Zuflucht, als viele Wittlicher in teilweise abenteuerlichen Behausungen überlebten, um den Bombenangriffen auf die Stadt zu entgehen. So habe auch seine Mutter, nun im 88sten Lebensjahr, mit bis zu neun weiteren Personen in dem Weinbergshäuschen, das nun durch Brandstiftung schwer beschädigt wurde, gewohnt.Aquarell zeigt die Hütte anno 1945

Im Februar 1945 habe zudem ein Bekannter der Eigentümerfamilie, Weingut Friderichs, ein Studienrat Lentz oder Lentes aus Trier, ein Aquarell gemalt, das die Hütte im damaligen Zustand zeigt. Werner Marx-Zepp beschreibt das Bild: "Die einfache Bank links neben dem Häuschen war in den 60ern noch vorhanden. Das blonde Mädchen könnte meine damals 16-jährige Tante sein. Das Dach der Hütte wurde irgendwann angehoben und das Fenster weitgehend zugemauert. Der Weinstock an der Außenwand könnte fast noch derselbe sein, der 1945 dort wuchs."Seine Mutter, die damals eigentlich in der Himmeroder Straße im Anwesen der früheren Druckerei Fischer zur Miete wohnte, zog mit ihrer Familie zum Schutz in den Pichterberg. "Die Weinbergshäuschen galten als sicher, weil sie von tieffliegenden Kampfflugzeugen angeblich nicht beschossen werden konnten und als Bombenziele einfach zu klein waren", berichtet Werner Marx-Zepp und erinnert daran, dass andere Wittlicher sich Hütten in den Wäldern bauten oder in den früheren Eiskellern und Wasserstollen im Fallerberg und im Pichterberg Unterschlupf suchten. Da sei die Hütte mit Fenster eine vergleichsweise komfortable Alternative gewesen. Als nach Bombenangriffen das Wohnhaus in der Himmeroder Straße nicht mehr bewohnbar war sei das Weinbergshäuschen zu Wohnzwecken hergerichtet worden. "Unter dem Fußboden befand sich eine grosse Regenwasserzisterne, die abgedeckt wurde. Ein kleiner Ofen wurde aufgestellt und einfachste Etagenbetten eingebaut. Brennmaterial für den Ofen und Lebensmittel mussten täglich aus dem intakten Keller in der Himmeroder Straße oder nach der Lebensmittelausgabe in den verbliebenen Geschäften der Stadt im Morgengrauen mit Taschen und Rucksäcken in den Weinberg geschafft werden, weil die Hütte keinen Raum für Vorräte hatte", erzählt Werner Marx-Zepp, dessen Mutter übrigens die schweren Bombenangriffe auf Wittlich an Weihnachten 1944 nicht miterleben musste, weil sie wegen ihrer eigenen Hochzeit nach Brandenburg, wo ihr Mann stationiert war, gefahren ist. Als sie im Januar 1945 frisch verheiratet mit Ehemann nach Hause kam, fand sie ihre Familie unversehrt in der Weinbergshütte und verbrachte dort auch die letzten Kriegsmonate.

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