Bösartige Fantasie

Zum Artikel "Thema verfehlt" (TV, 30. Januar) meint dieser Leser:

Der Artikel "Thema verfehlt" über mein Konzert mit Werken jüdischer Komponisten in der Wittlicher Synagoge anlässlich des Holocaust-Gedenktages 2008 stellt einen Angriff auf meine persönliche und berufliche Ehre dar. Unter anderem heißt es in der Kritik: "Über beide Komponisten [Weinberg und Weprik] berichtete er, dass diese nach dem dritten Reich von den Stalinisten verhaftet und gefoltert wurden. Es hinterließ einen gewissen Beigeschmack, dass an einem solch klar umrissenen Tag Hinweise darauf kamen, dass andere auch nicht viel besser waren." Mit keinem Wort habe ich angedeutet, dass die Verbrechen des Holocaust mit denen der Stalinisten vergleichbar wären. Vielmehr habe ich während des Konzerts an verschiedenen Beispielen dargelegt, wie das Schaffen jüdischer Komponisten in verschiedenen Ländern und Epochen von Ausprägungen des Antisemitismus beeinträchtigt wurde. Es bedarf einer bösartigen Fantasie, um in meinem Konzept eine thematische "Verfehlung" des Gedenktages zu sehen und mir gar die Verharmlosung der Holocaust-Verbrechen zu unterstellen! Dem Artikel zufolge bekam schließlich die Musik von Schulhoff "eine Alibifunktion", denn dieser war "der einzige jüdische Komponist des Konzertes, der tatsächlich in einem KZ umgekommen ist." Diese Passage ist um so mehr ungeheuerlich, als dem Autor mein langjähriges Engagement für die im Holocaust ermordeten jüdischen Komponisten sehr wohl bekannt ist. Es war ihm außerdem bewusst, dass das Thema der Veranstaltung für mich auch eine persönliche Dimension hat. Dass er mir als einem jüdischen Künstler, in dessen Familie der Holocaust ebenfalls Spuren hinterlassen hat, und der sich dazu ganz besonders für die Musik der verfolgten und ermordeten jüdischen Komponisten einsetzt, eine Relativierung des Holocaust unterstellt, empfinde ich als eine persönliche Beleidigung. Jascha Nemtsov Berlin Holocaust-Gedenken

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