Des Unglückes Schmied

Ist wirklich jeder seines eigenen Glückes Schmied? Oder ist es nicht so, dass jeder auf die Herbeiführung seines eigenen Glückes wenig, auf die Verhinderung von Unglück aber deutlich mehr Einfluss hat? Ein Beispiel: Im ländlichen Raum leben wenige Menschen auf großem Raum. Städte und Dörfer sind klein und in den vergangenen Jahrzehnten hat sich viel verändert.

Die Reihe der Veränderungen, die als Unglück empfunden werden, ist lang: Der Kaufmannsladen hat geschlossen, die Hauptschule gibt es nicht mehr, die Grundschule steht kurz vor dem Aus, das Gasthaus im Ort ist dicht, der Bus kommt nur selten - in den Ferien noch seltener - und jetzt schließt auch noch die regionale Bank ihre Filiale. Das sind Verluste, und die Entwicklung wird lauthals beklagt.
Wer ist aber schuld daran? Beim Wehklagen schwingt immer mit, dass es jemanden gibt, das dem betroffenen Dorf die Zukunftschancen rauben will. Abgesehen davon, dass sich schwer erschließt, warum jemand Dörfern in der Eifel, an Mosel oder im Hunsrück übel mitspielen sollte, hatten die Bewohner der meisten Dörfer durchaus selbst die Chance, unglückselige Entwicklungen zumindest teilweise zu verhindern. Denn der Kaufmannsladen, den man vermisst, hat geschlossen, weil zu wenige Menschen dort eingekauft haben. Die Hauptschulen wurden geschlossen, weil niemand mehr seine Kinder dorthin schickte. Für Grundschule ist eine Mindestanzahl von Schülern auch sinnvoll, wenn diese halbwegs bezahlbar sein sollen. Busse fahren selten, weil sie praktisch nur von Schülern genutzt werden und auch die lokale Bankfiliale kann nicht für eine unendlich kleine Zahl tatsächlicher Kunden betrieben werden.
Viele der beklagten Entwicklungen wären nicht eingetreten, wenn Dorfbewohner bei Tante Emma statt im Supermarkt eingekauft, ihre Kinder in die Hauptschule geschickt, die Kneipe regelmäßig besucht, Bankgeschäfte nicht am Computer erledigt, mehr Kinder bekommen und statt jeder mit dem eigenen Auto regelmäßig mit dem Bus gefahren wären. Nicht realistisch? Stimmt! Aber ehrlicher als verspätetes Jammern.

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