EU setzt Wirtschaftsmacht ein

Leserbrief zum Bericht "Europa, deine Grenzen" (TV vom 29. April):

Der Forderung, Europa müsse seine Ziele klar definieren, stimme ich zu. Am 25. April hat die große Mehrheit des Deutschen Bundestages dem Lissabonner EU-Reformvertrag zugestimmt. Obwohl 2005 die EU-Verfassung an der Ablehnung durch die Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden scheiterte, wurden die von den sozialen Bewegungen kritisierten Inhalte unabgeschwächt und ohne öffentliche Diskussion in den EU-Reformvertrag übernommen. Der Vertrag legt die EU auf die Liberalisierung des Binnenmarktes nach den Zielen der Lissabonner Strategie fest. Damit besteht die Gefahr, dass sich die Politik einseitig an den Kapitalinteressen der Wirtschaft ausrichtet. Beispielsweise sind bereits heute die Versuche der EU, Handelsvereinbarungen mit den Staaten aus Afrika, der Karibik und dem Pazifischen Raum (AKP-Staaten) zu treffen, von den wirtschaftlichen Interessen Europas geprägt. Die EU setzt ihre Wirtschaftsmacht ein, um ihre Interessen durchzusetzen, die teilweise den Entwicklungsinteressen der Partnerländer entgegen laufen. Ebenso schreibt der EU-Reformvertrag den Mitgliedstaaten die "Aneignung militärischer Fähigkeiten" vor und legt die Einrichtung einer Europäischen Rüstungsagentur mit Entscheidungsbefugnissen fest. Damit besteht die Gefahr, dass die Entscheidung über präventive Militäreinsätze wesentlich von wirtschaftlichen Interessen abhängig gemacht wird.Da ein Europa, das für soziale Gerechtigkeit nach innen und außen und für Frieden auch über Europa hinaus steht, nicht erkennbar ist, lehne ich den EU-Vertrag in wesentlichen Punkten ab.Rudi Kemmer, Wittlich EUROPA

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