Die Rennstrecke und die Leberwurst

Die umfassende Aufarbeitung der Vorfälle rund um das Millionen-Projekt "Nürburgring 2009" geht nach der Sommerpause weiter. Im Haushalts- und Finanzausschuss musste am Dienstag der neue Finanzminister Carsten Kühl (SPD) seine Feuertaufe bestehen.

Mainz. Fragen, Fragen, Fragen. Anklagende Fragen. Bohrende Fragen. Harte Fragen. Einer soll sie alle beantworten: Carsten Kühl, 47, ehemals Wirtschafts-Staatssekretär und seit dem 10. Juli Finanzminister des Landes. Im ungewöhnlich vollen Saal 7 des Landtags hat dieser Mann die Aufgabe, die Kohlen aus dem Feuer zu holen, an denen sich sein Vorgänger Ingolf Deubel verbrannt hat. Fahrfehler verzeiht der Nürburgring, die legendäre Rennstrecke in der Eifel, eben nicht. Und manchem in der Landesregierung und ihrer Tochter Nürburgring GmbH ist offensichtlich das Steuer bei dem neuen Erlebniszentrum entglitten, wenn der Staatsanwalt gegen mutmaßliche Betrüger ermittelt und eine Pannenmeldung die nächste jagt.

Carsten Kühl erledigt seinen Job zunächst, indem er seinen Namen zum Programm macht. Er wolle nicht im "Nebel von Vergangenem stochern", sagt er kühl. Er bittet um Fairness. Er wirbt um Verständnis. Doch das Haifischbecken Politik hat das trotz aller wohlfeilen Worte ebenso wenig zu bieten wie die Rennstrecke. Hier wie dort besteht nur der, der mit Vollgas durch die Kurven und über die Zielgerade brettert. Carsten Kühl aber driftet rasch auf eine emotionale Schiene ab. Man merkt ihm die Betroffenheit bei (versteckten) Angriffen an, etwa wenn Zweifel an seinem Willen zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Aufklärung gestreut werden. Was ihm am Ende den zweifelhaften Titel "beleidigte Leberwurst" einträgt, den ihm CDU-Chef Christian Baldauf süffisant verleiht.

Es ist aber auch eine undankbare Fahrt durch den mehr als dreistündigen Ausschuss für den Finanzminister. Zu viele Schlaglöcher lauern auf ihn. Warum hat die einst als Privatinvestor vorgestellte Düsseldorfer Firma Mediinvest es zum Beispiel nicht geschafft, ihre Projekte selbst zu finanzieren? Warum musste die RIM GmbH, eine Tochter der landeseigenen Investitions- und Strukturbank, mit insgesamt 85,5 Millionen Euro in Form von elf stillen Beteiligungen aushelfen? Warum flossen die ersten 3,4 Millionen Euro schon Ende Mai 2008, obwohl da von der als Grund für die Finanzspritzen genannten weltweiten Finanzkrise noch keine Spur war? Warum saßen Kühls Vorgänger Deubel und Ring-Geschäftsführer Walter Kafitz offenbar Betrügern auf, die ihnen das Blaue vom Himmel versprachen und einen Milliardär aus den USA herbeizaubern wollten? Ein bisschen kann Carsten Kühl die Vorgänge erhellen. Das meiste nicht. Er liest die Antworten auf viele Fragen der FDP kurz und knapp von einem Blatt Papier ab. Öfter sagt er "das kann ich nicht beantworten". Oder, beinahe hilflos: "Wie soll ich das beantworten?" Als er nach Inhalten des Vertrages von Ring-Geschäftsführer Kafitz gefragt wird, lautet die Antwort so: "Ich weiß noch nicht mal, was ich selbst verdiene."

Wer aufmerksam lauscht, kann sich immerhin an einer Stelle selbst einen Reim machen: Zehn Millionen Euro will die Landesregierung der Nürburgring GmbH in diesem und im kommenden Jahr als Gesellschafterdarlehen bewilligen. Sie dienen der "Risikovorsorge", um Baukostensteigerungen und Problemen in der Startphase zu begegnen, sagt Kühl. Übersetzt heißt das: Die Wirtschaftlichkeit des Projekts, dessen Kosten von kalkulierten 215 Millionen auf am Ende wohl 300 Millionen in die Höhe geschnellt sind, ist zweifelhaft.

Die Geschäftsführung überarbeitet derzeit die Geschäftspläne mit Hilfe externer Fachleute. Der Aufsichtsrat wird über das Ergebnis diskutieren und der Landesregierung berichten. Dann sollen offenbar teils neue Konzepte geschmiedet werden. Derweil ermittelt der Staatsanwalt, der Rechnungshof prüft und die Opposition wühlt. Fragen, Fragen, Fragen - und alle wollen beantwortet werden.

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