"Kein Jahrhundert-Projekt ohne Gutachter"

Nach dem harten Winter wird unter Zeitdruck auf der größten und teuersten Baustelle des Landes geschuftet, damit das Projekt "Nürburgring 2009" im Juli pünktlich auf Touren kommt - nach heftiger Debatte über die Frage, ob sich die Rennstrecke zum rentablen Publikumsmagneten oder zum Millionengrab entwickelt. Nürburgring-Boss Walter Kafitz kämpft noch mit Vorwürfen, die nicht mit dem letzten Schnee verschwunden sind.

 Großbaustelle Nürburgring: Am neuen Freizeit- und Geschäftszentrum in der Eifel wird mit Hochdruck gearbeitet. TV-Foto: Klaus Kimmling

Großbaustelle Nürburgring: Am neuen Freizeit- und Geschäftszentrum in der Eifel wird mit Hochdruck gearbeitet. TV-Foto: Klaus Kimmling

Nürburgring. (ua/us) Hat Nürburgring-Chef Walter Kafitz "skandalöse Zustände" im Staatsunternehmen "Nürburgring 2009" zu verantworten, weil ständig teure Beraterstäbe auflaufen? "Eindeutig nein", sagt er im Interview und geht erstmals in die Offensive. "Die Experten wurden gebraucht, um die erhoffte vollständige private Finanzierung wasserdicht zu machen." Mit Walter Kafitz sprachen unsere Mitarbeiter Uli Adams und Ursula Samary.

Die am Nürburgring tätigen Beraterstäbe sorgen immer wieder für Wirbel. Zuletzt kassierte allein der Projektbetreiber mehr als 700 000 Euro für eine noch nicht gelungene Finanzierung. Sie fühlen sich zu Unrecht kritisiert. Welche Beraterleistungen fielen denn 2008 an?

Kafitz: Etwa 1,9 Millionen Euro. Etwa 1,6 Millionen Euro sind mit dem Ausbau zum ganzjährigen Freizeit- und Geschäftszentrum direkt verbunden. 380 000 Euro waren für unser Kerngeschäft notwendig.

Wie schlüsseln sich die Gelder auf?

Kafitz: 980 000 Euro dienten allein dem Ziel, eine noch günstigere Finanzierung zu erhalten, als wir jetzt schon haben, und damit 30 Millionen Euro zu sparen. Dazu gehörte das monatliche Honorar von 20 000 Euro für den Finanzvermittler. Der zweite große Block umfasst Honorare für Steuerfachleute, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, um den Deal absolut wasserdicht zu machen. Im Geschäftsleben gibt es keine Chance ohne Risiko. Für uns besteht das Risiko, dass wir eine Million Euro umsonst ausgegeben haben.

Das Finanzierungsmodell geht davon aus, dass Ihr Partner mit US-Lebensversicherungen eine Rendite von bis zu neun Prozent erzielt, um Ihnen die Ring-Projekte abzukaufen und sie günstig zu vermieten. Ist eine solche Rendite derzeit realistisch?

Kafitz: Das Senior-Life-Settlement-Modell (SLS) im Hintergrund interessiert mich nur mittelbar. Mich interessiert zuerst, was bei uns ankommt.

Im Landtag wurde gefragt, ob dieses Modell ohne Alternative ist. Die Opposition erhielt keine klare Antwort. Wissen Sie eine?

Kafitz: Derzeit läuft die Finanzierung über den Liquiditätspool des Landes zu konkurrenzlos guten Konditionen. Nur das SLS-Modell wäre eine attraktive Alternative. Deshalb haben wir uns mit dem Honorar auch die Exklusivität an diesem Modell gesichert.

Ist dieses Modell seit der Finanzmarktkrise und dem Ruf vieler Politiker nach neuen Finanzregeln für ein Unternehmen von Land und Kreis noch verantwortbar?

Kafitz: Wenn das Risiko für die Nürburgring GmbH wie auch das Land gleich null ist, ist es seriös, sicher und verantwortbar.

Wofür wurden denn weitere 500 000 Euro gebraucht?

Kafitz: Zum Beispiel für unabweisbar notwendige Gutachten des Tüv, der den Bau des Ring-Racers sicherheitstechnisch begleitet. Hinzu kommen Lärmgutachten und Ingenieurleistungen, die auch unter die Kostenstelle Beratung fallen. Bei einer Investition von 158 Millionen Euro sind diese Ausgaben wahrlich vertretbar. Jeder verantwortungsvolle Betrieb müsste sich den Gutachter-Aufwand bei einem Jahrhundert-Bauwerk leisten, um Sicherheit und Lärmschutz zu garantieren.

Wie erklären Sie die 380 000 Euro an Beraterkosten fürs Kerngeschäft?

Kafitz: Eine Position von gut 100 000 Euro erklärt sich mit Schallschutz-Beratung. Der Lärm muss an 365 Tagen rund um die Uhr gemessen werden, um zu beweisen, dass wir Auflagen erfüllen. Das verlangt die Betriebsgenehmigung. 43 000 Euro sind für bautechnische Beratung angefallen, 40 000 Euro etwa für Rechtsberatung beim Ankauf von Gesellschafteranteilen. Außer der Beratung zur Personalbeschaffung und -entwicklung folgen noch Kleckerbeträge. Was ist daran skandalös?

Sie haben das Problem, dass der Rechnungshof Ihre Berater-stäbe bereits 2006 scharf kritisiert hat. Außerdem fragen sich CDU und FDP im Landtag, ob das Land trotzdem das Hauptrisiko trägt. Hat der private Investor Mediinvest mehr als 30 Millionen aufgebracht?

Kafitz: Das Land würde in jedem Fall einen guten Schnitt machen. Denn mit dem wunderschönen Feriendorf in Drees, dem genialen Erlebnis-Ensemble "Grüne Hölle" mit Restaurants, Großdisko und Hotel sowie dem 4-Sterne-Hotel und dem Personalhaus sind ja Werte entstanden.

Befürchten Sie, dass wegen der Finanzkrise nicht 500 000 Besucher mehr kommen und die Kalkulation nicht aufgehen könnte?

Kafitz: Sicher, viele unserer treuen Besucher müssen heute sparen. Aber vielleicht bietet die Krise auch den Vorteil, dass Deutsche mehr Urlaub im eigenen Land machen und der schönen Eifel mehr Umsatz bescheren. Das Hotel-Management meldet jedenfalls überwältigende Buchungszahlen. Auch im Boulevard sind 80 Prozent der Shops an Autohersteller und Zulieferer vermietet. Das stimmt optimistisch.

Der Nürburgring lebt vom alten Nordschleifen-Mythos. Bei allen Kosten sorgen Formel-1-Rennen für weltweite Werbung. Aber Hockenheim-Geschäftsführer Karl-Josef Schmidt befürchtet, dass mit den Konditionen von Formel-1-Boss Bernie Ecclestone Rennen in Deutschland nicht zu halten sind. Wie ist Ihre Einschätzung?

Kafitz: Wenn das Rennen 2010 in Hockenheim ausfiele, wäre es eine Schwächung des Formel-1-Standorts Deutschland und auch nicht gut für den Nürburgring. Nur eins steht auch fest: Wir würden 2010 nicht einspringen.

Kann der Nürburgring auch ohne Hockenheim einen festen Platz im Formel-1-Kalender behaupten?

Kafitz: Davon bin ich fest überzeugt.

Der Nürburgring soll Job-Motor in der Eifel bleiben - mit 500 neuen Stellen. Welche Berufe haben denn eine Chance?

Kafitz: Es sind vorwiegend Dienstleister gefragt.

Auch qualifizierte?

Kafitz: Es geht um das gesamte Spektrum - von Führungsaufgaben, Handwerkerleistungen bis zu einfacheren Servicetätigkeiten an der Kasse oder in der Gastronomie. Die meisten der neuen Mitarbeiter kommen aus der Region.

Der harte Winter hat auch dem Zeitplan zugesetzt. Was wird wann eröffnet?

Kafitz: Die Haupttribüne wird zum 24-Stunden-Rennen im Mai fertig. Die Hauptattraktionen sind erst am 11. Juli bei der offiziellen Eröffnung zu bewundern. Ich darf noch ein bisschen zittern, bis alles fertig ist.

Die schnellste Achterbahn der Welt soll für eine Sensation sorgen, wenn sie in 2,5 Sekunden eine Geschwindigkeit von Tempo 217 erreicht. Aber von Ferienparks ist bekannt, dass Besucher ständig neue Rekorde erwarten. Können Sie auf Dauer mithalten?

Kafitz: Ja, das kann ich versprechen. In unserem Businessplan sind bereits neue Attraktionen einkalkuliert. Außerdem wird der Weltrekord unseres Ring-Racers noch einige Jahre lang ungebrochen sein.

Zur person

Walter Kafitz (Foto: privat) ist seit 1994 Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH sowie Geschäftsführer diverser Unternehmen der Nürburgring-Gruppe. Davor war er in verschiedenen Bereichen des Produktmanagements und der Geschäftsführung in Unternehmen wie Jacobs Kaffee und Henkel tätig.

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