Basketball: Wolfgang Esser - Der Aufstiegsmacher

Trier · Ohne ihn hätte es der TVG Trier vielleicht niemals in die erste Bundesliga geschafft: Wolfgang "Wolli" Esser. Im dritten Teil der TBB-Jubiläumsserie haben wir uns mit dem Aufstiegstrainer getroffen. Zu hören gab es jede Menge Anekdoten aus den Anfangsjahren der Trierer Bundesligazeit.

Halle Mäusheckerweg in Trier-Ehrang. Ein Zweitliga-Basketballspiel des TVG Trier irgendwann Ende der 1980er Jahre. Der Gegner: unwichtig. Die Szene: unglaublich. TVG-Aufbauspieler Patrick Börder bringt den Ball nach vorne. Plötzlich stoppt er, hört auf zu dribbeln. Wutentbrannt blickt er herüber zu seinem Trainer am Seitenrand, TVG-Legende Wolfgang Esser. "Auf einmal schaut der mich an", erinnert sich Esser heute, über ein Vierteljahrhundert später, "und kommt mit dem Ball in der Hand auf mich zu gestürmt - der war auf 180".

"Mach's doch einfach selbst"

Esser hatte seinem Spielmacher kurz zuvor von der Seitenlinie aus ein paar Instruktionen zugerufen - in seiner gewohnt impulsiven Art. Der Coach war nicht zufrieden mit Börders Spielweise - zu viel für den gebürtigen Trie8rer im TVG-Trikot. Er drückt Esser den Ball in die Hand und brüllt ihm zu: "Komm, mach's doch einfach selbst."

Völlig perplex sei er gewesen, gibt Esser zu. "Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte." Auch die Schiedsrichter hätten nicht schlecht gestaunt. "Die haben erst verdutzt geschaut und danach Einwurf für den Gegner gegeben - dann ging es weiter." Wolfgang Esser, den in Trier alle "Wolli" nennen, kann heute über die Geschichte lachen. "Damals haben wir natürlich schon noch einmal über die Szene gesprochen", gesteht der 62-Jährige. Aber er sei nicht nachtragend, "deswegen war das Thema schnell auch wieder vergessen". Heute, so betont Esser, "sind wir beide die besten Freunde".

Wir treffen Wolfgang Esser im Rheinischen Landesmuseum in Trier. Er hat sich Zeit genommen für eine Tour durch die inzwischen beendete Ausstellung zum TBB-Bundesligajubiläum. Während der zweistündigen Tour sprudeln die Erinnerungen nur so aus ihm heraus. Er wird von großen Spielen und großen Siegen erzählen. Es wird um irrwitzig niedrige Etats gehen und auch der verrückte Transfer des russischen Topspielers Alexander "Sascha" Belostenny wird ein Thema sein.

"Wolli" Esser ist mittlerweile "Mister Arena" - oder in offiziellen Worten: Geschäftsführer der Arena Trier. Der Mann darf nicht fehlen in einer Serie über 25-Jahre-Erstligazugehörigkeit der jetzigen TBB. Ohne ihn wäre Trier vielleicht gar nicht erst in die 1. Bundesliga aufgestiegen - im Jahr 1990.

"Der Aufstieg damals", sagt Esser, "der Aufstieg war der größte Moment meiner Basketballkarriere - das kann ich heute schon so sagen." Während er spricht, blickt er auf einen Bilderrahmen an der Wand. Darin: ein rosa-farbener, vergilbter Din-A-4-Zettel - der Spielberichtsbogen vom entscheidenden Zweitligaduell am 28. März 1990 zu Hause gegen EOSG Offenbach.

Der damalige TV Germania Trier gewinnt deutlich mit 114:84 und steigt zum ersten Mal in seiner Geschichte in die erste Bundesliga auf. "Die ganze Stadt stand kopf", erinnert sich Esser. Und er, der doch eigentlich schon weg ist aus seiner Heimatstadt an der Mosel, der fürs Sportstudium nach Köln gezogen ist und beim Zweitligisten Linz (Rhein) als Spielertrainer arbeitet - er ist plötzlich der Vater des Erfolgs.

1985 übernimmt Esser den Turnverein Germania in der Regionalliga und führt das Team innerhalb von fünf Jahren in die Beletage des deutschen Basketballs. Damals, vor 29 Jahren, gibt es in der Römerstadt eine klare sportliche Hierarchie. An Nummer eins stehen die Fußballer von Eintracht Trier. "Und dann mit großem Abstand kamen irgendwann die Basketballer", erinnert sich Esser. "Ernstgenommen haben uns die Fußballer damals nicht." Dazu fällt ihm direkt eine Geschichte ein. Esser lacht, schüttelt den Kopf. Dann sagt er: "Eintracht-Urgestein Horst Brand bot uns in der Regionalliga an, uns mit seiner Mineralölfirma zu sponsern." Daraufhin habe er ihm mit einem Augenzwinkern entgegnet: "Aber nicht, dass wir der Eintracht bald den Rang ablaufen." Brand habe sich den Bauch gehalten vor Lachen und nur ein knappes "Ja, klar!" herausgestoßen.

Zwar sind sich bei "Wolli" Essers Amtsantritt alle im Verein einig, dass der Weg in den kommenden Jahren nach oben führen soll, doch an die Bundesliga denkt niemand wirklich. "Es gab einen Fünfjahresplan", erinnert sich Esser. "Innerhalb dieser Zeit wollten wir die Mannschaft in der zweiten Liga etablieren." Doch schon im vierten Zweitligajahr geht es nach oben - in die Beletage des deutschen Basketballs. Esser hat ein breites Grinsen auf den Lippen, wenn er an diese Zeit zurückdenkt.

Auf einer Leinwand im Landesmuseum läuft gerade ein Film über die ersten Jahre des TVG in der Bundesliga. Auch "Wolli" Esser kommt zu Wort. Während der junge Coach "Wolli" im Hintergrund am Spielfeldrand tobt, spricht der heutige Wolli im Vordergrund von seinen Erinnerungen. Er sei ein impulsiver Trainer gewesen. "Ich bin vorangegangen und konnte mich auch gut mit schwierigen Spielern auseinandersetzen."

Man merkt ihm an, dass die Bilder dieser Zeit gerade noch einmal vor seinem geistigen Auge vorbeilaufen. Esser hat derart viele Geschichten von damals auf Lager, dass man schon verdammt schnell mitschreiben muss, um sie alle auf einem Block festhalten zu können. So zum Beispiel die von der Verpflichtung des ukrainischen Ausnahmespielers Sascha Belostenny, der 1990 sensationellerweise aus Saragossa an die Mosel wechselt. "Das muss man sich mal vorstellen. Belostenny war ein Weltklassespieler, der hatte alles gewonnen, was man sich nur vorstellen kann, und dann wechselt der in die deutsche Provinz nach Trier", sagt Wolli Esser. Bis zuletzt habe er nicht geglaubt, dass der in Odessa geborene 2,14-Meter-Hüne tatsächlich nach Trier wechselt.

Er habe das erst fassen können, als er tatsächlich beim Team im Trainingslager in Ungarn ankam. Vor der ersten Trainingseinheit mit dem neuen Star habe er seinen Jungs dann das Folgende mit auf den Weg gegeben: "Heute geben wir mal richtig Gas, damit der auch sieht, dass wir Basketball spielen können."

Belostenny ist nicht der einzige Star, den Esser durch seine Kontakte an die Mosel lockt. So stoßen im letzten Zweitligajahr auch die bundesligaerfahrenen Spieler George Devone und "Rookie" Reißaus zum Team und haben maßgeblichen Anteil am Aufstieg der Trierer. Beide kommen von Bayern München, das damals sein Basketballteam aus der ersten Liga zurückzieht. "Uli Hoeneß war der Meinung, Basketball sei zukünftig kein Thema mehr bei Bayern." Da die "neuen Stars" mit den Trierer Talenten wie James Marsh, Rainer Loch oder Patrick Börder ausgezeichnet harmonieren, gelingt es dem TVG in den beiden Jahren nach dem Aufstieg, sich in der Bundesliga zu etablieren - und das mit einem Etat im Aufstiegsjahr von nur 750.000 DM.

Wolfgang Essers Appell

Nach zwei Jahren in der ersten Liga ist Schluss für Esser. Er tritt freiwillig von seinem Amt zurück. Sein Nachfolger wird Juri Selikhow. "Es war dann erstmal genug", resümiert der 62-Jährige. Weit gekommen sind wir nicht in der TVG/TBB-Ausstellung. Zu viele Fotos und an den Wänden haben zu viele Erinnerungen geweckt. - zu viele um schnell mal eben eine komplette Ausstellung zu betrachten. Dafür hat Esser einfach zu viel erlebt. Zum Abschluss muss der Aufstiegstrainer dann noch etwas zur aktuellen Situation der TBB loswerden. Es ist ein Appell. "Das Bundesligateam ist ein Alleinstellungsmerkmal für die Stadt Trier." Es werde schwer, den Bundesliga-Standort Trier zu erhalten. "Wenn nicht", so betont Esser, "wie beispielsweise in Bamberg eine ganze Region hinter dem Team steht". Besonders finanzstarke Unternehmen müssten sich überlegen, ob sie den Verein nicht stärker unterstützen wollten. "Andernfalls wird es in Zukunft eng für den traditionsreichen Basketball-Bundesligastandort Trier."

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