Der Feierabend und die Fortsetzung

Euphorie-Schub vor dem Regionalliga-Start, garantiert mehr als 250 000 Euro zusätzliche Einnahmen und eine bundesweite Image-Pflege: Besser konnte der Auftakt von Eintracht Trier im DFB-Pokal (3:1) nicht laufen. Nur die Hannover-Fans und -Verantwortlichen sowie ein neutraler Spielbeobachter hatten wenig Freude.

Trier. Zwei Überraschungen hat die erste DFB-Pokalrunde mit sich gebracht - das Motto: Regionalliga schlägt Bundesliga. Da demütigt Lübeck den Aufsteiger Mainz, Trier düpiert Hannover. Oder anders formuliert: Die "Feierabend-Fußballer", wie Hannover-Manager Jörg Schmadtke die Eintracht bezeichnete, hauen "Aqua" 96 weg. Als "farblos wie Wasser" hatte Triers Trainer Mario Basler im Vorfeld den Bundesligisten etikettiert. Das 3:1 gibt Basler Recht. Manchem "Roten" ist nach dem blutleeren 96-Kick schon vor Liga-Beginn ganz schummrig.

Der Pokalschreck Eintracht Trier ist zurück. Der feine Staub auf den zurückliegenden Erfolgen: abgehustet. Das lässt auch den Pokalhelden Rudi Thömmes nicht kalt. "Das war überragend! Die Jungs haben enormen Druck aufgebaut und sich den Sieg absolut verdient", lobt er. Von Basler gab es nach dem Spiel die offizielle Lizenz zum Feiern: "Wenn nicht jetzt, wann sonst?" Auch wenn nach der "tollen Leistung" und dem freien Tag gestern heute schon alle Gedanken beim ersten Regionalliga-Gegner Schalke 04 II sein sollen. Für Basler war der Sieg das erste Ausrufezeichen seiner Trainerkarriere. Seine Rolle: Die Kabinenansprache schlug an ("Ich musste etwas lauter werden"). Und nach seiner taktischen Umstellung von einer Vierer- auf eine Dreierkette wurde die Eintracht nach vorne immer gefährlicher. Und immer mutiger.

Letzte Dienstfahrt für Jörn Andersen



Jörn Andersen ist einer der ganz wenigen gewesen, die bei beiden Überraschungen live vor Ort waren - in Lübeck und Trier. Er wird sich an kein grandioses Fußball-Wochenende erinnern, an kein Fest. Der Mainzer Trainer schaute sich nach dem Pokal-Aus des eigenen Teams den ersten Auswärtsgegner in der Bundesliga an. Er sah, dass sich Hannover noch deftiger blamierte als seine Jungs. Und wahrscheinlich hätte auch manches Wettbüro die sehr optimistische Halbzeitpausen-Prognose von Eintracht-Vorstandsmitglied Robert Bläsius gerne angenommen: "Trotz 0:1 - wir gewinnen noch 3:1", tippte er tapfer. Vielleicht hörte Andersen auch das Raunen: Dass 96-Trainer Dieter Hecking womöglich der Erste sein könnte, der sich in der Bundesliga-Saison einen neuen Job suchen muss. Ganz oben auf der Liste; unter (Verbal-)Beschuss der Fans. Andersen wird seine Erkenntnisse eher nicht mehr mitteilen. Der Aufstiegstrainer wurde gestern überraschend bei Mainz entlassen (Seite 14).

Für die Eintracht ist das eher Randnotiz. Denn da stand nach der außergewöhnlichen zweiten Halbzeit eine lange Nacht an. Trainerstab und Vorstand zog es in den "Schweicher Hof", die Mannschaft feierte in Trier.

"Wie lang die Feier ging? Es war noch nicht hell - aber die Lampen brannten", scherzt Vorstandsmitglied Harry Thiele, für den die Pokal-Überraschung gleich in mehrerer Hinsicht ein wahres Fest ist. Neben einigem zurückgewonnenen Renommee erhält die Eintracht für das Erreichen der zweiten Runde 237 500 Euro Fernsehgelder und dazu 32 000 Euro (Bandenwerbung). Möglich, dass sogar mehr Geld fließt: Sollte das Heimspiel der Eintracht als Live-Spiel im frei empfangbaren Fernsehen ausgewählt werden, gibt es zusätzlich zum Fernsehgeld noch 324 000 Euro aus der Bandenwerbung (Quelle: "kicker").

"Viele Fans, die nicht mehr so präsent waren, werden nach diesem Spiel bestimmt wiederkommen. Schon am Freitag gegen Schalke 04", hofft Thiele, der sich - "aus kaufmännischer Sicht" - einen schlagbaren Gegner wünscht: "In der zweiten Runde sollte das Stadion ohnehin voll sein." Die zusätzlichen Einnahmen sollen ein kleineres Loch im Etat ausgleichen. Weitere Neuzugänge seien vorerst nicht vorgesehen. Im Winter könne aber wohl bei Bedarf nachgelegt werden.

SO GEHT'S WEITER

Pokal: Die 2. Runde im DFB-Pokal wird am 22./23. September, ausgetragen. Die Auslosung wird am Samstag, 8. August, im Anschluss an das Bundesliga-Spiel Hoffenheim - Bayern beim Bezahlsender "Sky" übertragen (kurz vor 21 Uhr). Dabei wird es zwei Lostöpfe geben: Jenseits der Bundesligen sind nur drei Teams übrig geblieben, die im ersten Topf sind und damit in der nächsten Runde definitiv ein Heimspiel haben werden (neben Trier sind das Drittligist Osnabrück und Regionalligist Lübeck). "Glücksfee" wird Deutschlands Fußballerin des Jahres sein, Inka Grings. (AF)

TRIER IN DEN SCHLAGZEILEN

Düpieren, blamieren und mehr: Das Pokal-Aus von Hannover in Trier - das war am Sonntagabend und Montag das große Thema in den Medien. Berichtet wurde (fast) überall über den Eintracht-Coup - hier einige Auszüge: "Trier düpiert Hannover" war im ZDF-Videotext zu lesen. *** In den "Tagesthemen" wurde samt Spielszenen vom Trierer Sieg berichtet. "Flutlicht" (SWR) hatte kurzfristig noch Eintrachtler eingeladen. Der "kicker" (Montagsausgabe) titelte in roter Überschrift: "Basler wirft Hannover raus!" *** Der "Bild" (Online) schien der Trierer Sieg ("Basler schmeißt 96 raus!") zudem bedeutender als etwa die darunter drapierte, ähem, Sprachwissenschafts-Studie "Rocken, schnackseln, einparken - die 50 lustigsten Umschreibungen für Sex". *** Rekord-Betrieb herrschte im 96-Forum. Tenor bei rund 500 Einträgen: Hecking müsse weg. Jemand, der sich "Legende81" nennt, formulierte: "Wir waren in allen Belangen unterlegen - gegen einen Viertligisten, der sein Saisonziel Platz 7 nennt!!! Ich könnte heulen!!" (AF)

FRUST DER "ROTEN"

Spieler schützen: Eintracht Trier und Hannover 96 - da sind nicht gerade Erzrivalen aufeinander getroffen. Dennoch war es schon vor dem Spiel zu einem kleineren "Scharmützel" zwischen 96- und Eintracht-Fans in der Karl-Marx-Straße gekommen. Laut Polizei hat es aber weder Verletzte noch Sachbeschädigungen gegeben. Akuten Redebedarf hatten einige Hannover-Fans dann aber nach der Pleite: So wurden die 96-Spieler beim Einsteigen in den Mannschaftsbus aus Sicherheitsgründen geschützt. Einige Fans aus dem Gästeblock hatten zudem randaliert. (AF)

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