Was macht eigentlich ... Karl Fleschen?

Trier · Hat es sie berührt, als ihr 4x1500-Meter-Weltrekord vor knapp zwei Jahren von einem kenianischen Quartett auf 14:36,23 Minuten verbessert wurde?

<b>Karl Fleschen: Es ist schön, dass der Rekord so lange gehalten hat. Aber ich habe dazu schon einen ziemlichen Abstand gehabt.
Ich habe mich gewundert, dass unser Weltrekord nur so knapp unterboten wurde.

Wie war das an diesem 17 August 1977 im Müngersdorfer Stadion, als sie gemeinsam mit Thomas Wessinghage, Harald Hudak und Michael Lederer den Rekord auf 14:38,8 Minuten schraubten?

Fleschen: Wir sind in der Halbzeitpause des Bundesligaspiels 1 FC Köln gegen Werder Bremen gelaufen. Das war das Spiel, in dem Dieter Müller so viele Tore geschossen hat (Anm. d. Red: Köln gewann dank sechs Müller-Toren 7:2). Aber wir waren ja entweder beim Ein- oder beim Auslaufen. Vom Spiel selbst haben wir nichts mitbekommen. Der Druck war groß. Ich wusste, dass ich als Schlussläufer unter 3:40 Minuten laufen muss - allein gegen die Uhr. Und es waren immerhin die Neuseeländer mit John Walker (Anm d. Red: Olympiasieger von 1976), die bis dahin den Rekord hielten.

Ihr deutscher 25-Kilometer-Straßenlaufrekord steht seit fast 33 Jahren wie in Fels gemeißelt. Waren das damals so einmalig gute Bedingungen, dass diese Zeit nie mehr unterboten wird?

Fleschen: Das war damals die totale Überraschung. Ich bin als Mittelstreckler bei den deutschen Straßenlaufmeisterschaften angetreten und keiner hat mir das zugetraut. Heute läuft ja kaum niemand mehr 25 Kilometer im Wettkampf (Anmerkung: seit 1993 wurde der Halbmarathon als Meisterschaftsdistanz eingeführt). Aber es müsste auch erst mal jemand schneller sein.

1980 waren sie Hallen-Europameister. Dann kam der Olympia-Boykott. Wie hart hat sie das damals getroffen?

Fleschen: Ich war dabei. Ich war in der Mannschaft. Ich habe eine Urkunde, auf der steht: ‚Sie gehörten der deutschen Olympiamannschaft an.' Aber es war bitter. Über den Olympiaboykott wurde ja endlos lange diskutiert. Letztlich waren es aber nur einige wenige Nationen, die nicht hingefahren sind. Das war frustrierend. Frustrierend war auch, dass viele ehemalige Sportler den Boykott empfohlen haben. In Moskau wäre ich zwar nicht Favorit gewesen, aber ich war 1979 Weltbester über 10 000 Meter.

War der Boykott 1980 der Anfang vom Ende ihrer Sportkarriere?

Fleschen: In einer Krise war ich schon vorher. 1979 bin ich beim Europacup relativ schlecht gelaufen. Da war ich schon ein bisschen angefressen.

Weshalb waren sie 1984 in Los Angeles nicht mit dabei?

Fleschen: Ich war ein Grenzfall, ein Wackelkandidat, den man letztlich nicht nominiert hat. Im Nachhinein war das okay. 1984 hatte ich nicht mehr die Form.

Was war ihr schönstes Rennen?

Fleschen: 1976 die Olympianorm über 1500 Meter zu laufen war ein schönes Erlebnis. Da kam Lothar Hirsch (Anmerkung: langjähriger Lauf-Bundestrainer) zu mir und sagte: Hey, du hast die Olympianorm. Das schönste Rennen war aber wohl das über 10 000 Meter in Troisdorf 1979 Wenn man 25 Runden unterwegs ist und merkt auf den letzten zwei Kilometern, man ist auf Rekordkurs, das ist super.

Laufen sie auch heute noch?

Fleschen: Im Moment mache ich wieder etwas mehr. Ich versuche, dreimal pro Woche zu trainieren. Ich will fit bleiben, und es ist schön, wenn ich zehn Kilometer in etwa 40 Minuten laufen kann.

War und ist Marathon ein Thema?

Fleschen: Dafür müsste ich mehr trainieren und dazu habe ich weder die Zeit noch die Lust. Ich will nicht ausschließen, dass ich irgendwann einmal Marathon laufe, aber nicht mit so hohen Ansprüchen. In meiner besten Zeit war Marathon nicht so attraktiv wie heute.

Was machen Sie beruflich?

Fleschen: Ich arbeite bei Bayer in Leverkusen als Ingenieur in der Energiewirtschaft.

Und was bedeutet ihnen die Eifel?

Fleschen: Die Eifel, das ist mit zwei Wörtern gesagt: meine Heimat. Ich bin gerne da, aber leider nur selten, drei- bis viermal im Jahr.

Mit Karl Fleschen sprach unser Mitarbeiter Holger Teusch

Hintergrund

Olympia-Boykott: 64 Staaten boykottierten 1980 die Olympischen Spiele in Moskau als Reaktion auf den militärischen Einmarsch der UDSSR 1979 in Afghanistan. Die USA unter Präsident Jimmy Carter hatten zuvor gefordert, die Spiele zu verschieben oder ausfallen zu lassen.

Zur Person

Karl Fleschen wurde am 28 Juni 1956 in Daun geboren (Zwillingschwester Inge), aufgewachsen ist er in Mehren. Sein Lauftalent wurde von Christoph Müller, einem Trainer der LG Daun entdeckt. Sein erstes Rennen, den Volkslauf Rund ums Schalkenmehrener Maar, gewann Fleschen auf Anhieb. Nach der Olympiateilnahme 1976 wechselte er nach Leverkusen. Er war mit der 800-Meter-Bezirksrekordlerin Dorothee Bormann verheiratet und hat einen Sohn. Fleschen lebt heute in Bergisch Gladbach. Größte Erfolge: Olympiateilnahme 1976 (1500 Meter, im Vorlauf mit 3:42,09 Minuten ausgeschieden), Hallen-Europameister 1977 und 1980, Weltrekord 1977 mit der deutschen 4 x 1500-Meter-Staffel, deutsche Rekorde über 3000 Meter, 10 000 Meter und im 25-Kilometer-Straßenlauf.

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