Kampfansage an Läuferknie & Co.

Trier · Läuferknie, Achillessehnen-Entzündung, Schienbeinkantensyndrom - 30 bis 50 Prozent aller Läufer leiden nach Schätzungen von Sportärzten an solchen und anderen Verletzungen. Auch Walker, Fußballer und Wintersportler, die ihren Sport intensiv betreiben, suchen nach Linderung. Eine professionelle Bewegungsanalyse verspricht, den Ursachen für die Schmerzen auf die Spur zu kommen und Tipps zu geben, wie diese mit gezielten Übungen beseitigt werden können.

Von Rainer Neubert

Trier. Wer jemals einen Laufschuh gekauft hat weiß: es empfiehlt sich, mit dem gewählten Modell einen Testlauf zu machen. Viele Fachgeschäfte verfügen deshalb über ein Laufband. Der geschulte Blick der Verkäufer soll erkennen, ob Laufstil und Fußaufsatz im Einklang stehen mit dem Gefühl des Kunden, ein bequemes und gut passendes Sportgerät geschnürt zu haben. Schließlich hängt davon auch die Gesundheit ab.

Wie sich die Wahl des falschen Schuhs auswirken kann, zeigt die Geschichte von Verena K. "Ich bin jahrelang mit den falschen Schuhen gelaufen", berichtet die 43-Jährige. "Bei den intensiven Vorbereitungen für einen Marathon habe ich plötzlich enorme Probleme mit den Achillessehnen bekommen." Es stellte sich heraus, dass Verena K. in Schuhen mit Innenstütze (Pronationsstütze) lief, obwohl ihre Fußstellung nach Neutralschuhen ohne Stütze verlangt. Die Folge der Fehlbelastung: monatelanges ärztlich erteiltes Laufverbot und eine langwierige Therapie. "Bei dem Gedanken daran, welche Schmerzen und Mühen ich wegen der falschen Schuhe hatte, könnte ich noch heute aus der Haut fahren", sagt die ambitionierte Freizeitsportlerin.
"Wir wissen, dass viele chronische Sehnenbeschwerden bei Sportlern nicht durch Entzündungen ausgelöst werden", sagt der Trierer Sportmediziner Dr. Peter Krapf. "Ursache für die Beschwerden sind vielmehr Mikrorisse und Strukturveränderungen in den betroffenen Bereichen." Und das sind nach Aussage des ehemaligen Mannschaftsarztes von Eintracht Trier meistens die unteren Extremitäten wie Patellaspitze, Achillessehne, Quadricepssehne, Tractus iliotibialis, Ferse oder Plantarfascie (siehe Extra Sportverletzungen). Eine Therapie, die alleine die Entzündung bekämpft, ist nach Meinung von Krapf deshalb auch nicht wirklich wirksam.
Dass der falsche Laufschuh Auslöser für die Beschwerden sein kann, steht außer Frage. Der von Fachpersonal begleitete Test auf dem Laufband oder eine dreidimensionale Fußvermessung, wie sie der Schuhhersteller Asics anbietet, können wichtige Hinweise für die Wahl des richtigen Schuhs geben. Wer allerdings bereits unter Laufbeschwerden leidet, muss mehr tun.
Dr. Peter Krapf: "Für die Behandlung und Beseitigung der Beschwerden ist es besonders wichtig, Fehlbelastungen und Fehlstellungen unserer Gelenke zu vermeiden und Muskelschwächen zu erkennen. Hierzu ist eine professionelle Bewegungsanalyse erforderlich. Erst dann können wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden."
Dass die professionelle Bewegungsanalyse quasi die Voraussetzung für gezielte physiotherapeutische Maßnahmen, Einlagenversorgung und Ermittlung eines optimalen Laufschuhs ist, sagt auch Jens Nagel. "Die Ursachen für Laufbeschwerden, aber auch unökonomische Bewegungsabläufe können damit aufgedeckt werden." Der staatlich geprüfte Sportlehrer, Fitness coach, Natural-Running-Trainer und Triathlet bietet seit einigen Wochen in einem Trierer Sanitäts- und Sporthaus die Möglichkeit, ein solches individuelles Bewegungsprofil und darauf aufbauend einen Trainingsplan zu erstellen, um effizient zu helfen. "Es geht dabei um eine Analyse des gesamten Körpers, um die optimale Empfehlung geben zu können. Kraft und Koordinationsübungen, Schuhempfehlung und bei Bedarf Einlagen können dann genau definiert werden."
Damit der zehnseitige Befund mit zahlreichen Trainingsempfehlungen erstellt werden kann, muss der Läufer allerdings eine ganze Reihe von Untersuchungen und Messprozeduren über sich ergehen lassen. Ein spezielles Laufband und diverse Videokameras stehen in schweißtreibenden zwei Stunden im Mittelpunkt. Denn nachdem Blutdruck, Körperfett und Gewicht gemessen, der Muskelfunktionstest absolviert worden ist und die Fußdruckmessung Aufschluss darüber gegeben hat, ob möglicherweise eine Sporteinlage sinnvoll erscheint, gilt es, auf dem schwarzen Edelsportgerät einige Kilometer abzuspulen. Erst barfuß, dann mit Schuhen, gegebenenfalls auch noch mit einem zweiten Paar. Gefilmt wird von vorn, von hinten und von der Seite. Bei dem flotten Tempo, das der Bewegungsanalyst vorgibt, bleiben alle Vorsätze auf der Strecke, besonders schön zu laufen.
"Der Läufer muss in der Laufbewegung untersucht werden, weil er gewisse Merkmale nur dann zeigt", erklärt Jens Nagel. "Er kann zum Beispiel beim Gehen eine normale Beinstatik haben, wenn er läuft aber eine verstärkte X-Bein-Stellung aufweisen." Die professionelle Bewegungsanalyse unterscheide sich dabei wesentlich von der Laufbandmethode in Sportgeschäften, weil der komplette Bewegungsapparat untersucht werde.
Und damit der Computer aus den Videoaufzeichnungen alle Winkel und Bewegungsmuster berechnen und mit den Sollwerten vergleichen kann, werden an Ferse, Wade, Knie, Oberschenkel, Hüfte und Wirbelsäule des Patienten jede Menge Messpunkte aufgebracht. Erst dann darf er, nur mit Slip bekleidet, auf dem Laufband sein Bewegungsprofil offenbaren. Jens Nagel: "Wir untersuchen die Rumpfstabilität, Beinachse, Sprunggelenkbeweglichkeit und die Kniebewegungsmuster. Die Ergebnisse werden dann in einen Maßnahmenkatalog zusammengefasst, in dem Empfehlungen gegeben werden, wie der Sportler trainieren sollte, um schmerzfrei zu werden."
Nach dem Test folgt das Training


Mit den Ergebnissen einer solchen professionellen Laufanalyse umzugehen, erfordert einen gewissen Mut und auch Leidensfähigkeit. Denn nicht immer gibt das, was im Video zu sehen ist, wirklich Anlass zum Jubeln.
Aber letztlich hängt von jedem selbst ab, ob sich die 220 Euro teure Untersuchung als Investition in die eigene Gesundheit lohnt. Wer bereit ist, die empfohlenen Trainingshinweise konsequent zu befolgen, hat jedenfalls große Chancen, seine Beschwerden loszuwerden. Damit das Laufen wieder zur puren Freude wird.
Weitere Informationen:
www.getfit-online.de ; petrisberg@sanitätshaus-kersting.de
Alle bisherigen Beiträge
zu unserer Serie gibt es unter www.volksfreund.de/dossier

Extra

Anamnese: In einem ausführlichen Gespräch wird geklärt, wie es zu den Problemen kam. Statische Untersuchung: Eine statische Untersuchung ist die Basis der Betreuung. Sie liefert wertvolle Informationen vor der dynamischen Untersuchung. Muskelfunktionstest/Fußdruckmessung: Bewertung der Beweglichkeit sowie Feststellung muskulärer Dysbalancen. Markierungen: Es werden anatomisch exakte Markierungen des gesamten Bewegungsapparates vorgenommen, um die Gelenkbewegung analysieren zu können. Analyse Sprunggelenk: Die Basis für die Bewegungsanalyse. Sie werden zusammen mit der Beinachsendynamik betrachtet. Analyse Kniegelenk: Die Bewegungsmuster des Kniegelenks gibt wichtige Hinweise für die Entstehungsgeschichte von Knie- und Achillessehnenproblemen. Analyse Hüfte: Bei der Untersuchung von Hüfte und Becken lassen sich Ursachen für Hüft- und Wirbelsäulenbeschwerden besonders effektiv erkennen. Befund und Therapie: Die Ergebnisse der Untersuchung und die Ursache der Beschwerden werden besprochen. Es wird ein Plan erarbeitet, um das Training zu optimieren.Extra

Das Magazin Runner\\'s World hat 4500 Läufer nach ihren Beschwerden befragt. Achillessehne: 8 Prozent der Befragten gaben an, im vergangenen Jahr an einer Entzündung der Achillessehne gelitten zu haben. Hinterer Oberschenkelmuskel: 7 Prozent der Befragten hatten Schmerzen am hinteren Oberschenkelmuskel. ITB-Syndrom: Das Iliotibialband (ITB) verläuft an der Außenseite des Oberschenkels entlang. 14 Prozent der befragten Läufer gaben an, im vergangenen Jahr davon betroffen gewesen zu sein. Läuferknie: 40 Prozent aller Laufbeschwerden betreffen das Knie. 13 Prozent aller befragten Läufer hatten dort Schmerzen. Plantarfascilitis: 15 Prozent aller Läuferbeschwerden betreffen den Fuß. Über ein schmerzhaftes Ziehen entlang des Fußbogens klagten 10 Prozent der Läufer. Schienbeinschmerzen: Das Schienbeinkantensyndrom betraf 10 Prozent aller befragten Läufer.

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