Der afrikanische Bruder der Tour de France

Trier · Fast 40 Grad, staubige Pisten, ein radsportverrücktes Publikum in Burkina Faso - und mittendrin: Trie rer Radsportler. Benjamin Höber (32) hat bereits zweimal an der Tour du Faso teilgenommen, der afrikanischen Version der Tour de France. Der Fahrer vom RV Schwalbe Trier sagt, was den Reiz der Rundfahrt ausmacht.

 Der Film Tour du Faso gibt Einblicke in das radsportbegeisterte afrikanische Land. Beim Rennen geht es auch mal giftig zu, wie die Mittelfinger-Geste eines Algeriers gegen einen burkinischen Fahrer zeigt. Eine Hauptrolle im Film spielt Benjamin Höber (RV Schwalbe Trier, rechts). Fotos: augenschein Filmproduktion

Der Film Tour du Faso gibt Einblicke in das radsportbegeisterte afrikanische Land. Beim Rennen geht es auch mal giftig zu, wie die Mittelfinger-Geste eines Algeriers gegen einen burkinischen Fahrer zeigt. Eine Hauptrolle im Film spielt Benjamin Höber (RV Schwalbe Trier, rechts). Fotos: augenschein Filmproduktion

Trier. "Oberrr", plärrt es aus den Lautsprechern. Keine Reaktion. Der burkinische Moderator versucht es noch mal: "\'Oo-beeerrr!" Vergeblich. Die fünfte Etappe bei der Tour du Faso ist gerade rum, dem vielleicht abenteuerlichsten Radrennen Afrikas. Der für Trier startende Benjamin Höber hat sich das Trikot für den "angriffslustigsten Fahrer" übergestreift, stapft vom Podest. Aber dass sich Monsieur "Ober", der "Mann aus dem Land von Jan Ullrich und Karl-Heinz Rummenigge" noch ein Siegerküsschen abholen soll, das versteht Höber in diesem Moment nicht.
Das ist nur eine kleine Szene im 90-Minuten-Dokumentarfilm "Tour du Faso", der am Sonntag zum ersten Mal in Trier gezeigt wurde. Dass der Broadway-Kinosaal komplett voll ist - trotz "Tatort"-Konkurrenz und der nicht eben "Hollywood-Blockbuster!" schreienden Thematik - das dürfte an der Trierer Beteiligung liegen. Der Film des Kölner Regisseurs Wilm Huygen, der im vergangenen Sommer bundesweit in ausgewählten Kinos lief, ist aus sportlicher Sicht nicht unbedingt brandaktuell: Er dokumentiert die 25. Tour du Faso. Die war im Oktober 2011. Zum ersten Mal nach 15 Jahren Abstinenz ging damals wieder ein deutsches Team an den Start - unter anderem mit den "Schwalben" Höber und Karsten Keunecke. Es war Höbers erste, aber nicht die letzte Erfahrung im afrikanischen Land. "Ich habe 2013 noch mal an der Tour du Faso teilgenommen", sagt Höber im Gespräch nach dem Film. "Vielleicht werde ich dieses Jahr im Herbst noch mal mitfahren."
Auch wenn es abwechslungsreichere Strecken gibt. Klimatisch angenehmere - ohne die Bruthitze in der Savanne. Komfortablere - ohne Übernachtungen unter freiem Himmel. Trotzdem locken ihn die zehn Etappen und 1400 Kilometer durch den westafrikanischen Staat ein weiteres Mal. 2014 wurde die Rundfahrt wegen des in nicht allzu weiter Entfernung grassierenden Ebola-Fiebers abgesagt.
Höber kennt sich aus, er war weltweit in vielen Ländern unterwegs. Erst vor einer Woche kehrte der Mainzer von der "Tour of Egypt" zurück. "Die war stark besetzt, auch wenn sie aus sportlicher Sicht nicht so spannend war", sagt der Radsportler, der seit 2010 für Schwalbe Trier fährt. Viele Kilometer über halbfertige Autobahnen, null Zuschauerinteresse - das sieht in Burkina Faso anders aus. Von der Atmosphäre her sei es eine andere Welt. Dort gilt die Landes-Tour als Höhepunkt im Sportjahr, als kleiner Gegenentwurf zur großen, durchkommerzialisierten Frankreich-Rundfahrt. Einmal die Tour im eigenen Land zu gewinnen, das ist für viele Burkiner ein Kindheitstraum.
Im Film mag das deutsche Team an der einen oder anderen Stelle etwas verbissen rüberkommen. Was vor allem daran liegt, dass Höber & Co. unmittelbar nach den Etappenenden zu Wort kommen - vor allem dann, wenn im Rennen einiges schief gelaufen und nicht jeder Konkurrent nach europäischen Fairplay-Konventionen unterwegs war. "Aber eine halbe Stunde später haben wir beim Bier zusammengesessen und alles war wieder gut." Höber, der mit Kollegen ein Radsport-Schulprojekt in Burkina Faso unterstützt, hatte selbst gute Chancen, die Rundfahrt zu gewinnen. 2011 bremsten ihn zwei Platten aus. Er wurde Vierter.
Den Reiz des auf DVD erhältlichen Films macht aber ohnehin nicht die sportliche Rivalität zwischen den Teilnehmern aus Burkina Faso, Algerien, Ghana, Frankreich oder Deutschland aus. Der Dokumentar-Film, der ohne Kommentare aus dem "Off" auskommt, berührt vor allem durch die stimmigen Bilder und Impressionen aus einem den meisten Europäern fremden Land.

Extra

Burkina Faso (in etwa: "Land der Gerechten") liegt im Westen Afrikas und grenzt unter anderem an Mali, Ghana und die Elfenbeinküste. Die einstige französische Kolonie, die bis vor 30 Jahren Obervolta hieß, ist flächenmäßig etwas kleiner als Italien. Burkina Faso zählt zu den ärmsten Staaten der Welt. Die Radrundfahrt Tour du Faso wird seit 1987 jährlich ausgetragen. 2014 fiel sie wegen der Ebola-Epidemie aus. AF

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