Kampfkunst ohne Tritte und Schläge

Trier · Entstanden aus dem Judo lehrt das Brazilian Jiu-Jitsu vor allem den Bodenkampf. Wen der Jiu-Jitsu-Kämpfer erst mal am Revers gepackt hat, der ist im Nachteil. Mit schnellen Wendungen, effektiven Hebeln und Würgetechniken zwingt er seine Gegner zur Aufgabe. Unsere TV-Reporterin hat den Sport einmal ausprobiert.

 Tobias Zeimetz (rechts) hat David Woodside (links) in einem Armdrehhebel: Woodside klopft mit der linken Hand ab und verliert damit durch Submission. TV-Foto: Christina Libeaux

Tobias Zeimetz (rechts) hat David Woodside (links) in einem Armdrehhebel: Woodside klopft mit der linken Hand ab und verliert damit durch Submission. TV-Foto: Christina Libeaux

Trier. Die erste Herausforderung stellt sich schon während des Aufwärmtrainings: Abrollen über die Schulter. Zuletzt vor zehn Jahren geübt - klappt aber dennoch erstaunlich gut. Nach acht Vorwärtsrollen ist das Ende des mit Matten ausgelegten Trainingsbereiches erreicht. Nur einen Kritikpunkt hat Trainerin Anke Müller: "Überkreuz\' die Beine beim Aufstehen nicht." Auf wackeligen Beinen zurück zur Gruppe. Im Kopf dreht sich die Halle.TV-Serie Kampfkunst


Anke Müller trainiert jeden Mittwoch die Brazilian-Jiu-Jitsu-Gruppe (BJJ) an der Universität Trier. Schläge und Tritte gibt es in dieser aus Brasilien stammenden Kampfkunst (siehe Extra) nicht. Dafür aber viel Gerangel am Boden.
Nach dem Aufwärmen geht es auch gleich an die ersten Übungen. Wie ein Käfer auf dem Rücken liegend versuche ich mit den Beinen meinen Trainingspartner Tobias davon abzuhalten, an meinen Oberkörper zu kommen. Klappt gar nicht. Eine schnelle Drehung, und Tobias kniet auf mir. Erst als er mir die Tricks verrät, kann ich ihn etwas länger in Schach halten. Einen Fuß an seine Hüfte, um ihn auf Distanz zu halten, mit dem anderen Fuß am Oberschenkel einhaken, damit ich mich mitziehen lassen kann, wenn er versucht, an meinen Beinen vorbeizukommen.
Tobias Zeimetz ist 25 und seit zwei Jahren beim BJJ dabei. Er trägt den weißen Gürtel mit zwei Streifen. Im BJJ gibt es keine Gürtelprüfungen mit festgelegten Techniken. Der nächsthöheren Grad wird stattdessen für im Training gezeigte Leistung, Fähigkeiten oder Wettkampferfolge verliehen. Aber Tobias findet: "Gürtelgrade sind im BJJ gar nicht so wichtig."
Das Training geht weiter mit Hebeltechniken. Ich beobachte Anke genau, doch als ich das Gesehene mit Tobias wiederholen soll, sind in meinem Kopf nur noch Fragezeichen. David, ein Blaugurt, kommt hinzu, und gemeinsam nehmen wir die Technik noch einmal auseinander, bis ich den Ablauf verstehe. Und so gelingt schließlich auch mir der Hebel. Ich sitze rechts neben David, rechter Fuß unter seiner rechten Schulter, linkes Bein über seinem Hals. Seinen rechten Arm ziehe ich zwischen meinen Beinen zu mir, während ich mich auf den Rücken fallen lasse. Nun nur noch die Hüfte anheben, und der Hebel ist perfekt. Mit der offenen linken Hand schlägt David mir leicht gegen das Bein - das Zeichen, dass der Hebel wirkt und er aufgibt. "Wenn du die Knie schließt, ist der Hebel noch effektiver," verbessert Tobias. "Als Mann würdest du das automatisch machen," grinst er. In einer kurzen Pause erklärt er weiter: "BJJ ist ein sehr taktischer Sport. Man nennt es auch Human Chess." Der Kämpfer muss die Gegentechniken seines Gegners vorausahnen und wissen, wie er darauf reagieren kann.
Wie das dann aussieht, erfahre ich im nächsten Trainingsteil. Für den freien Kampf gehen wir mit dem Partner auf die Knie, klatschen uns mit der rechten Hand ab und stoßen die Faust zusammen - auf einen fairen Kampf.
Ohne eine Ahnung, welche Techniken Punkte einbringen, versuche ich aufs Geratewohl, Tobias irgendwie auf den Rücken zu drehen und ihn dort festzuhalten. Doch der lässt sich von meinem Zerren und Schubsen nicht aus der Ruhe bringen. Es dauert nur Sekunden, bis ich auf dem Rücken liege. Mit Tipps von Tobias gelingt es mir dann doch, etwas aus dem Training anzuwenden. Schnell stelle ich ein Bein auf, packe ihn am Kragen des Gi und werfe ihn über das aufgestellte Knie. Dann noch auf den Bauch knien und Schultern runterdrücken - im Wettkampf hätte ich damit meine ersten Punkte gesammelt.
Weiter geht\'s, Partnerwechsel. Diesmal kämpfe ich mit David. Instinktiv versuche ich mich von dem Angreifer wegzudrehen. Doch einem Jiu-Jitsu-Kämpfer den Rücken zu präsentieren stellt sich als großer Fehler heraus. Jetzt schlage ich mit der Hand auf den Boden. Aufgabe. Und doch, am Ende des Trainings gibt es sowohl von David als auch von Tobias Lob: "Du hast gut gekämpft" und: "Für das erste Mal gar nicht schlecht". Ich ziehe Bilanz: Oberschenkel: brennen, offene Stelle am rechten Fuß: Mattenbrand. Stimmung: ausgepowert, aber zufrieden.Extra

In der Serie "Kampfkunst" stellt der TV ausgewählte Schulen, Vereine und Disziplinen vor. Brazilian Jiu-Jitsu gehört zu den Exoten unter den Kampfkünsten, die in der Region trainiert werden. Im Hochschulsport der Uni Trier lehrt Trainerin und Wettkämpferin Anke Müller diese Kampfkunst. Parallel dazu bietet der Akita Inu Do e.V.in Prüm Brazilian Jiu Jitsu an. Das ist ein Verein für Kampfsport, Fitness- und Rehasport. Das Brazilian Jiu Jitsu ist eine aus dem Judo entwickelte Kampfkunst. Gekämpft wird hauptsächlich am Boden. Ziel der Hebel- und Würgetechniken ist es, den Gegner zur Aufgabe zu zwingen. Der Judoka Helio Gracie konnte aufgrund seiner schmächtigen Gestalt viele Judotechniken nicht ausführen und entwickelte die Hebeltechniken weiter. cli/jp

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