Mit einem Segel über die Mosel

Trier · Ob Freizeitsegler oder Turnierfahrer: In Trier gibt es ein ganz besonderes Revier.

Trier "Wende!", ruft Martin Hammen laut. Der 54-Jährige drückt das Ruder seines Segelboots von sich fort und taucht unter dem heranschwingenden Segel hindurch auf die andere Seite des Boots. Er fährt eine enge Kurve, und ein kräftiger Wind ergreift die Segelplanen nun von der Seite. Das Boot gibt der Kraft nach und kippt, bis es seitlich genau mit der Wasserkante abschließt. Das Moselwasser rauscht vorbei am weißen Schiff. Auf der anderen Seite ist Hammen in die Höhe gehoben worden. Entspannt sitzt er dort an der Kante, den Rücken über das Boot hinausgestreckt, und erzählt von alten Abenteuern: "Kanada, das war großartig. Da war ich mal auf einem dieser ganz großen Segelboote mit Mannschaft, 14 bis 16 Meter Länge, das war schon ganz besonders."
Jetzt "nur" noch auf der Mosel zu segeln ist für ihn aber auch keine Bestrafung: "Das ist natürlich anders. Man spürt die Freiheit nicht ganz so sehr. Aber ich finde es trotzdem aufregender und gleichzeitig entspannter als Fahrradfahren oder Spazierengehen."
Hammen hat schon als Kind mit dem Segeln angefangen, sein Vater hat ihn dafür begeistert. Seitdem ist es sein größtes Hobby. Und damit ist er nicht allein in Trier: Wie er sind aktuell noch 370 andere Segler in der Segelabteilung des Post-Sportvereins Trier (PST) angemeldet, die auch den Trierer Jachthafen betreibt. Es ist damit die größte Abteilung des PST. Mitglieder sind sowohl ehemalige Berufsschiffer als auch Anfänger im Kinderalter. Für die Abteilungsvorsitzende Patricia Erbeldinger ist das etwas ganz Besonderes: "Anfangs denkt immer jeder: ‚Segeln auf der Mosel - so was gibt es?' Aber dann kommen die Leute her und sehen, dass Segeln eben nicht unbedingt mit dem großen Geld, dem Meer und gebügelten Uniformen zu tun hat. Ein kleines Boot kostet gerade einmal so viel wie ein mittelmäßiges Mountainbike." Entsprechend groß ist auch das Interesse am Wassersport: Der Trierer Jachthafen in der Nähe des Schloss Monaise ist fast voll belegt. Dazu trägt auch bei, dass es etwas Außergewöhnliches ist, in Trier segeln zu können. Die nächsten Segelreviere liegen laut Erbeldinger nämlich erst in Traben-Trarbach beziehungsweise dem luxemburgischen Esch an der Alzette.
Zusätzlich finden in Trier regelmäßig besondere Aktivitäten statt wie Freizeitsegeln, Turniere, eine Qualifikation für die deutsche Segelmeisterschaft und der Trierer Segelmarathon. Gerade der Marathon ist eine spezielle Besonderheit der Trierer Segler: Er wurde nicht nur hier erfunden, sondern ist laut Erbeldinger auch ein Alleinstellungsmerkmal des PST. Nirgends sonst fände ein Segelturnier auf der klassischen Marathonstrecke von 42 Kilometern statt. Diese Strecke zu segeln ist eine besondere Herausforderung. Etwa vier Stunden kann es dauern, bis die schnellsten Boote im Ziel sind. Gesegelt werden mehrere Runden über einen zuvor festgelegten Abschnitt auf der Mosel. Zuletzt fand der Marathon am letzten Wochenende im Juni statt, trotz regnerischen Wetters. "Das müssen die Segler abhaben können, es ist schließlich Wassersport", scherzt Organisator Horst Kahren. 15 Boote hatten teilgenommen. Die Vorbereitungen, die Kahren für das Rennen treffen musste, reichen von Genehmigungen des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts über das Organisieren ehrenamtlicher Helfer für Notfälle bis hin zur genauen Information der Teilnehmer über die Regeln. All das hat Kahren in seiner Freizeit gemacht. Es ist jedoch ein Dienst, den er schon seit langem gerne übernimmt. Er hat Freude daran, sich für die Segelgemeinschaft einzusetzen. Auch ganz allgemein wird der Gemeinschaftssinn im Trierer Jachthafen großgeschrieben. Allein auf dem Wasser ist der Umgang miteinander hin und wieder etwas rauer, sobald es ums Gewinnen geht. Wenn sich dann der Weg zweier Boote kreuzt und keiner dem anderen ausweichen will, obwohl beide "hart am Wind" segeln und schrägliegend durchs Wasser pflügen, werden schon einmal die eigenen Ansichten lautstark über das spritzende Wasser hinweg ausgetauscht. Den Respekt verliert aber nie jemand, schließlich segeln alle hier zur Freude und sitzen somit sprichwörtlich doch im gleichen Boot. Gewonnen hat beim vergangenen Segelmarathon letztlich Werner Huwer, ein Segler des PST. Allerdings musste er gar nicht als Erster ins Ziel kommen, um zu gewinnen. Jedes Boot hat nämlich eine Art Handicap, die sogenannte Yardstick-Zahl. Sie wird bei einem Wettbewerb mit der gesegelten Zeit verrechnet, um das Endergebnis zu erhalten. So werden gute Segler auf langsamen Booten nicht benachteiligt. Zweiter wurde Martin Hammen. Er ist mit seinen 54 Jahren einer der ältesten Segler im PST, der noch an Wettbewerben wie dem Segelmarathon teilnimmt. Für ihn bietet der Sport alles, was er sich von einem Hobby wünscht: "Segeln ist einfach etwas Besonderes - man kann gemütlich irgendwo hinfahren oder an Rennen teilnehmen. Im Hafen grillen wir zusammen, und auf dem Wasser ist es unglaublich ruhig. Man lernt aber auch wieder, Respekt vor der Natur zu haben, vor allem auf den großen Touren. Diese Mischung habe ich nirgends sonst so erlebt."

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