Monsieur Bardet und der Dachs

Le-Puv-en-Velay · Tour: Wie ein Franzose seine Landsleute erfreut.

Le-Puv-en-Velay Diese Option haben die radsportverrückten Franzosen zum Beginn der dritten Tour-Woche seit mehr als drei Jahrzehnten nicht mehr gehabt: Heute, am zweiten Ruhetag, vor dem Einstieg in die Welt der Alpen-Riesen, darf ein französischer Fahrer aus einem französischen Team wieder vom Gesamtsieg beim größten Radrennen der Welt im eigenen Land träumen. Romain Bardet ist der Mann, der seine Landsleute von einem Trauma erlösen könnte.
Rückblende: Mit diesem Jahr und diesem Mann verknüpft Frankreich seine Memoiren an eine goldene Vergangenheit der Tricolore beim Nationalheiligtum Tour de France. 32 Jahre liegt der letzte Gesamtsieg eines französischen Fahrers bei der Tour jetzt zurück. Seit den Tagen von Bernard Hinault - bis zum vergangenen Jahr noch als offizieller Repräsentant des Tour-Veranstalters A.S.O einer der ersten Gratulanten bei der täglichen Siegerzeremonie - hat kein Franzose die dreiwöchige Tour mehr für sich gewinnen können.
Jetzt, so scheint es, könne sich das ändern. In Person von Romain Bardet aus der Mannschaft von AG2R La Mondiale. Seit seinem Husarenritt in den Pyrenäen, der ihn bis 25 Sekunden an das Gelbe Trikot brachte, kennt man im dienstältesten Team bei der Tour (seit 1990 dabei) nur eine Richtung für den 26-Jährigen: die nach vorn. "Mit Romain in seiner jetzigen Verfassung ist für uns der Toursieg das Ziel, ganz klar", ging sein Sportdirektor Julien Jurdie am Wochenende in die verbale Offensive. Nach Rang zwei im Gesamtklassement im Vorjahr soll in diesem Jahr die Krönung mit dem maillot jaune unter dem l'arc de Triomphe folgen. Bardet ist ein handverlesener Zögling des Radsport-Leistungszentrums in Chambéry in den Savoyer Alpen. Sukzessive aufgebaut und herangeführt an die ganz großen Ziele, als sein Talent erkannt wurde. 2013 wird er 15. und damit bester Franzose der Tour. 2014 trägt er lange Zeit das weiße Trikot des besten Jungprofis und wird Sechster, 2015 gewinnt er eine Alpenetappe, wird Gesamt-Neunter und drittbester Kletterer. Rang zwei hinter Chris Froome im Vorjahr war das endgültige Fanal zum Angriff auf die Spitze.
Die Equipe AG2R La Mondiale ist das, was man im Fußball einen Ausbildungsverein nennen würde. Nach den bisherigen Hautsponsoren Chazal und Casino setzt man seit dem Einstieg von AG2R im Jahr 2006 konsequent auf eine langfristig ausgelegte Team-Politik. Dieser Maxime wird alles untergeordnet, 2014 sicherte sich AG2R La Mondiale die Tour-Mannschaftswertung und brachte mit Bardet - aber auch mit Landsmann Christophe Riblon - äußerst talentierte Fahrer hervor. Beide haben das Zeug, in die Fußstapfen von Bernard Hinault zu treten. Ihn nannten seine größten Bewunderer einst Le blaireau, den Dachs. Wegen dessen ausgefuchster taktischer Intelligenz. Ein Gen, das auch Bardet ab morgen in der Welt von Col de Vars, Izoard und Col du Télégraphe weiterhelfen könnte.

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