Schach mit Tempo 200 und Sonnenbrille

TRIER · Sommerzeit ist Beachvolleyball-Zeit. Kaum ein Freibad kommt ohne übergroßen Sandkasten mit Volleyballnetz aus.

TRIER Es ist heiß, aber alle sind cool drauf. Was könnte man auch anderes von einer Sportart erwarten, die vor rund 100 Jahren am Strand von Waikiki auf Hawaii erfunden wurde? Sommer, Sonne und Beachvolleyball, das gehört zusammen. Die großen, von Agenturen organisierte Turniere, wie beispielsweise in Timmendorfer Strand locken nicht nur mit Sport, sondern auch mit Party Tausende Zuschauer an. "In Klagenfurt kam DJ Ötzi mit dem Hubschrauber und hat die Mucke gemacht", erzählt der ehemalige Olympiatrainer Bernd Werscheck. Sonnenbrillen gehören in einschlägigen Internetshops genauso zum Standardprogramm, wie Stollenschuhe bei Fußballern.
Ähnlich wie Kärnten sind zwar auch die Trierer Höhenstadtteile weit vom Meer entfernt, der Trimmelter SV (TSV) hat sich aber seinen eigenen Strand geschaffen: vier Beachvolleyfelder, jedes 16 x 8 Meter groß (und damit nur etwas kleiner, als ein Volleyballspielfeld in der Halle, 19 x 9 Meter). Neben einer kleinen Hütte steht ein Grill. Auch hier zeigt sich: Es wird nicht nur Sport getrieben, Beachvolleyball ist ein Lebensgefühl. Aber spätestens seit 1996 auch aus dem Dasein einer reinen Funsportart entwachsen. In Atlanta wurde Beachvolleyball olympisch. Volleyball ist damit die einzige Sportart, die bei den Sommerspielen gleichzeitig in zwei Varianten ausgetragen wird - ein Novum!
Der Unterschied zwischen Beach- und Hallen-Volleyball: "Beach volleyball ist Schach mit Tempo 200", sagt Bernd Werscheck wegen der hohen Geschwindigkeit und den taktischen Möglichkeiten der Sportart. Auf der TSV-Beachvolleyball-Anlage bringt der ehemalige Nachwuchsbundestrainer (Hallenvolleyball) und Coach des Olympia-Duos Susanne Lahme/Danja Müsch (2004 im Achtelfinale von Athen) Volleyballtrainern bei, was sie bei der Variante im Sand beachten müssen. Der Grundsatz sei draußen wie drinnen der gleiche: "Der Ball darf nicht auf den Boden."
Abgesehen vom weichen Untergrund ist die Anzahl der Spieler der größte Unterschied zwischen Beach- und Hallenvolleyball. Bei offiziellen Turnieren spielen Teams von je zwei Sportlern (Halle: sechs Spieler, die zudem ausgewechselt werden können) gegeneinander. An Freizeitturnieren, wie dem weltgrößten in Bibone an der italienischen Adria mit bis zu 20 000 Teilnehmern können oft auch Dreier- oder Viererteams teilnehmen.
Weniger Spieler bedeutet mehr Ballkontakte und für den einzelnen mehr Aktion. Zehn bis zwölf Sekunden dauere durchschnittlich die Belastungsphase der einzelnen Spieler, gefolgt von einer etwa genauso langen Pause. "Das heißt, es ist eine typische Kreatinphosphat-Energiebereitstellung, ähnlich wie beim Tennis", erklärt Bernd Werscheck.
Dadurch seien beim Beachvolleyball stundenlange Spiele möglich - ideal für Freizeitsportler.
Die übrigen Regeln lehnen sich eng an die des Hallenvolleyball an. Nach drei Berührungen, muss der Ball übers Netz. Pritschen, wenn der Ball mit schüsselförmig vor der Stirn gehaltenen Händen gespielt wird, ist nur eingeschränkt als Angriffsvariante erlaubt. "Die Spitzenteams pritschen deshalb fast gar nicht", erklärt Stefanie von Keutz von der Volleyball-Abteilung des Trimmelter SV. Gespielt wird über zwei Gewinnsätze, wobei ein Satz in den ersten beiden als gewonnen gilt, wenn ein Team mindestens 21 Punkte und zwei Zähler Vorsprung erreicht hat. Steht es nach den ersten beiden Sätzen unentschieden, wird ein dritter bis 15 gespielt.
Weil man im Sand zu zweit eine fast genauso große Fläche abdecken muss, wie in der Halle mit sechs Spielern, legt Bernd Werscheck großen Wert auf effiziente Bewegungen und Raumaufteilung. "Wir tanzen! Rhythmusschulung ist ganz wichtig - nicht nur im Volleyball", erklärt er, weshalb er im Training bestimmte Schrittfolgen üben lässt. Ganz wichtig sei auch die ständige Bereitschaftshaltung. Werscheck nennt es "Lucky-Luke-Position": Füße schulterbreit im Sand, Knie leicht gebeugt und die Hände so, wie die Western-Comic-Figur seine Pistolen (schneller als der eigene Schatten) zieht. Halt ganz cool im heißen Sand.

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