Sprung nach vorne

London · Wie ein 20-Jähriger bei der Para-Leichtathletik-WM überzeugt, der eigentlich etwas ganz anderes machen wollte.


London (dpa) Für Markus Rehm ist er "ein guter Junge, von dem wir noch eine Menge hören werden". In den Augen von Heinrich Popow kann er "dem ganzen Sport Sex-Appeal verleihen". Und für Friedhelm Julius Beucher ist er "eine wunderbare Granate". Doch unabhängig von der Wortwahl: Für die beiden Stars und den Präsidenten des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) ist Leon Schäfer der kommende Mann der Szene. Und zwar international.
Dass der heute 20-Jährige ein großes Sporttalent ist, war schon vor Jahren absehbar. Schäfer träumte davon, Fußballprofi zu werden. Der linke Flügelstürmer spielte bereits in der Bremen-Auswahl und wurde vom DFB gesichtet. Im Alter von zwölf Jahren musste ihm nach einer Knochenkrebserkrankung der rechte Unterschenkel mitsamt des Knies amputiert werden. Der Traum war zu Ende.
"In so einem Moment fällt man erst einmal in Loch, hat Bock auf gar nichts", erzählt Schäfer: "Aber ich habe mich schnell herausgearbeitet. Heute trauere ich dem Fußball nicht hinterher. Ich war ja zum Glück noch recht jung. Da weiß man nicht, wie es sich entwickelt hätte." Funkelnde Augen kriegt er heute nur noch, wenn er den Leverkusener Julian Brandt spielen sieht. Der ist ein Jahr älter, stammt auch aus dem Bremer Kreis und ist heute Nationalspieler: "Dann denke ich. Krass. Cool. Das war auch mein Traum."
Doch Schäfer suchte sich schnell einen neuen. Und diesen lebt er jetzt. Und schaffte mit WM-Bronze am Dienstag im Weitsprung die bisherige Krönung. Noch in der Reha sah er erstmals den Prothesen-Springer Markus Rehm, heute Paralympicssieger und Weitsprung-Weltrekordler, "und da hat es mich direkt gepackt". Zum Mentor wurde schließlich Heinrich Popow, der in derselben Klasse wie Schäfer ebenfalls über 100 Meter und im Weitsprung startet.
Und der 34-Jährige, der in beiden Disziplinen schon Paralympics-Gold gewann und zuletzt durch seine Teilnahme an der RTL-Show "Let's Dance" für Aufsehen sorgte, kommt bei Schäfer regelrecht ins Schwärmen. "Er ist ehrgeizig und weiß, was er kann, aber er nimmt sich selbst nicht so wichtig. Er lässt sich nicht verbiegen, macht sein Ding und sagt immer seine Meinung", erläutert Popow und ergänzt lachend: "Und wenn man mit ihm durchs Athletendorf geht, drehen sich alle Frauen um. Ihn könnte man auch auf den Laufsteg stellen, er würde da eine gute Figur abgeben." Auch DBS-Präsident Beucher hat festgestellt: "Leon ist jung und kann Menschen begeistern. Und er hat sich rotzfrech in die Weltspitze vorgearbeitet."
Und ist eben ein wirkliches Ausnahmetalent. Kürzlich bestand Schäfer die Aufnahmeprüfung für ein Studium an der Deutschen Sporthochschule. Er musste Prüfungen im Schwimmen bestehen, im Volleyball oder im Tischtennis, auch im Gerätturnen. Ohne Sonderrechte. Und er meisterte sie alle. Am Ende des Bewerbungstages feierten die anderen Studien-Anwärter Schäfer mit lautem Applaus. Auch sie hatte er in seinen Bann gezogen.
Extra: NÄCHSTES GOLD FÜR KONZERIN


Was für ein Erfolg für die Konzerin Diana Dadzite: Nach dem Gewinn der Goldmedaille im Kugelstoßen am Wochenende hat die im Rollstuhl sitzende Leichtathletin bei der Para-Leichtathletik-WM in London im Speerwerfen nun das nächste Edelmetall geholt. Mit 27,07 Metern sicherte sie sich nicht nur Gold, sondern stellte auch einen neuen Weltrekord auf.

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