Stockkampf von den Philippinen

Morbach · Arnis ist eine Kampfsportart, die von den Philippinen stammt und bei der mit Stöcken gekämpft wird. Die Morbacher Balintawak Group ist dabei äußerst erfolgreich. In den vergangenen 20 Jahren haben die Aktiven zahlreiche Titel gesammelt und sogar fünfmal einen Weltmeister gestellt.

 Marvin Braun und Slawa Hasenkampf (von links) üben einen Turnierkampf, andere Mitglieder der Deutschen Balintawak Group schauen zu. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Marvin Braun und Slawa Hasenkampf (von links) üben einen Turnierkampf, andere Mitglieder der Deutschen Balintawak Group schauen zu. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Morbach. Langsam gehen Marvin Braun und Slawa Hasenkampf aufeinander zu. Beide halten einen 60 Zentimeter langen Stock aus Rattan in der Hand. Ihr Aussehen erinnert an ostasiatische Ritter aus einem Samuraifilm: Die Köpfe sind unter einem stabilen Helm verborgen, die Gesichter hinter einem metallenen Gitter kaum zu erkennen. Die Körper werden von schwarzen gepolsterten Schutzanzügen bedeckt, die Hände stecken in dicken Handschuhen.
Ein Kommando ertönt. Die Gegner tänzeln aufeinander zu, schlagen mit dem Stock aufeinander ein. Für einige Sekunden vermag das Auge den schnellen Bewegungen kaum zu folgen. Da wirbeln die Stöcke, da blockt die stockfreie Hand den Gegner, da knallen die Schläge auf die Helme und Schutzanzüge, bis sich die beiden Kontrahenten voneinander lösen und nach einem kurzen Moment wieder aufeinander losgehen. Braun und Hasenkampf üben den Turnierkampf im Balintawak. "Das ist ein philippinischer Kampfsport, der mit einem oder zwei kurzen Stöcken, mit einem zwei Meter langen Langstock oder nur mit den Händen ausgeübt wird", sagt Michael Schneider von der Deutschen Balintawak Group. Der Verein hat Standorte in Morbach, Idar-Oberstein, Kastellaun und Mainz.TV-Serie Kampfkunst


Balintawak ist eine Weiterentwicklung des philippinischen Kampfsports Arnis, in die neben den Stockschlägen Kampftechniken wie Ringen oder Boxen, aber auch geistige Fähigkeiten wie Chi miteingeflossen sind. Schneider und Christian Nau von der Deutschen Balintawak Group betonen, dass es sich um eine Art der Selbstverteidigung handelt. Wichtig dabei ist es, sich in den Gegner hineinzufühlen, seine Aktionen vorauszuahnen, abzuwehren und dann einen Gegenangriff zu starten. Im Gegensatz zu anderen Kampfsportarten sucht der Balintawak-Kämpfer deshalb die Nähe zum Gegner.
Zur Abwehr der Angriffsaktionen werden Reflexe und Automatismen trainiert. "Zeit zum Überlegen, was der Gegner macht, haben wir nicht, dafür geht es zu schnell", sagt Schneider. Der Stock dient als Verlängerung der Hand. "Wir lernen erst, mit dem Stock zu arbeiten. Wer sich damit verteidigen kann, kann es notfalls auch ohne", sagt Nau. Im Ernstfall soll ein Angreifer innerhalb von fünf Sekunden kampfunfähig gemacht werden.
Um sich mit den anderen Stilarten messen zu können, sind einige Kampftechniken im Turniersport nicht erlaubt, die die Morbacher sonst trainieren, wie Schläge mit dem Ellenbogen oder Stockstiche, sagt Schneider. "Wir brauchen ja schließlich einheitliche Regeln, damit wir gegen Aktive anderer Stilarten antreten können", sagt er.
Warum sammeln die Morbacher so viele Meistertitel? Zum einen ist die Deutsche Balintawak Group eine der ersten Arnisgruppen Deutschlands und hat dadurch lange Erfahrung, sagt der Gründer des Vereins Toni Veeck (siehe Hintergrund). Zum anderen sei der Necopa-Stil ein gutes System mit ausgefeilten Techniken. Weiterhin verfüge der Verein über sehr gute Instruktoren, sagt Veeck mit Blick auf Schneider und Nau.
Was ist das Faszinierende am Balintawak? "Man hat unendlich viele Möglichkeiten, sich zu bewegen und entdeckt dabei seinen eigenen Körper", sagt Schneider. Gesundheitliche Effekte sind sowohl körperlich als auch geistig spürbar. Aggressionen werden abgebaut, der ganze Mensch entwickelt sich positiv. Zudem könne man diesen Sport bis ins hohe Alter ausüben. Schneider: "Als Breitensport ist Balintawak bis ins Alter von 80 Jahren oder bei entsprechender Konstitution auch darüber möglich."Extra

In der Serie "Kampfkunst" stellt der TV ausgewählte Schulen, Vereine und Disziplinen vor. Die Balintawak Group ist im Turniersport äußerst erfolgreich: Seit 1995 haben die Morbacher Stockkämpfer im Arnis fünfmal einen Weltmeister gestellt, hinzu kommen drei Vizeweltmeister und fünf Bronzemedaillen. Bei Europameisterschaften gab es sieben Gold-, drei Silber- und vier Bronzemedaillen. Bei Deutschen Meisterschaften ist der Morbacher Verein offenbar Seriensieger: 106 Medaillen haben die Morbacher Stockkämpfer seit 1995 gesammelt, insgesamt 37 Mal den Deutschen Meister gestellt. Ein weiterer regionaler Verein, der sich mit philippinischem Stockkampf beschäftigt, ist der Escrima Club Trier. Der Club bietet viele Disziplinen an, darunter philippinisches Boxen und Selbstverteidigung. cst/jpExtra

Der Idar-Obersteiner Großmeister Toni Veeck lernte Balintawak auf den Philippinen, gründete vor 30 Jahren im Hunsrück den Verein und entwickelte Balintawak zur Stilrichtung Necopa weiter. "Jeder Großmeister entwickelt seinen eigenen Stil", sagt er. Insgesamt trainieren 120 Aktive Veecks Stil. 30 Prozent davon sind weiblich. In Deutschland betreiben etwa 8000 Sportler den philippinischen Stockkampf in verschiedenen Stilarten. cst

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