"Wir müssen moderner, frischer werden"

Düsseldorf · Die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi sind Vergangenheit, die Sommerspiele in Rio de Janeiro 2016 noch Zukunft. Auch zwischen den Großereignissen hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) wichtige Punkte auf der Agenda.

Düsseldorf. Was bleibt nach Olympischen Spielen? Und wie nachhaltig sind die sportlichen Großereignisse für eine Stadt und Region? Wie sieht es mit dem Modernisierungsprozess aus? Über diese Fragen hat Martin Beils, Redakteur der Rheinischen Post, mit dem deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach im Interview gesprochen. Herr Bach, Sie sprechen hier in Düsseldorf bei der Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises. Inwieweit ist Nachhaltigkeit ein Thema für das IOC?Bach: Nachhaltigkeit, Glaubwürdigkeit und Jugend sind unsere Topthemen im Zuge unserer Reformagenda. Nachhaltigkeit geht für uns über den Umweltschutz hinaus. Es geht auch um das Erbe, das die Spiele hinterlassen, um soziale und finanzielle Nachhaltigkeit.Sie haben sich zum Ende der Winterspiele in Sotschi sehr lobend über das geäußert, was dort geschaffen wurde. Ist dieses Urteil unter der Überschrift "Nachhaltigkeit" aufrechtzuerhalten?Bach: In Bezug auf die Nachnutzung hat Sotschi durch die politischen Umstände Probleme. Das ist offensichtlich. Die Pläne der Nachnutzung - in Bezug auf Tourismus, in Bezug auf Konferenzen, in Bezug auf Sport - sind durch die politischen Verhältnisse sehr beeinträchtigt.Hätte in diesem riesigen Olympic Park in Sotschi eine den Dimensionen entsprechende Nachnutzung möglich sein können?Bach: Die Nachnutzung war sehr stark auf Tourismus abgestellt und damit einhergehende Konferenzen. Da gibt es in der gesamten Region ein erhebliches Potenzial.Das mag für die Bergregion gelten. Mir fällt es aber schwer zu glauben, dass das auch für den gigantischen Olympic Park am Schwarzen Meer gilt.Bach: Über Glaubensfragen kann man sich immer streiten. Die Pläne der russischen Regierung waren sehr konkret. Es gab dezidierte Pläne, die unter anderem die Anbindung Sotschis über Charterflüge vorsahen. Das war sehr konkret und detailliert. Das nun umzusetzen, wird enorm schwierig.Die olympische Bewegung hat viele "weiße Elefanten" hinterlassen: große Sportstätten, die nicht mehr angemessen genutzt werden. Denken wir an die olympischen Sportstätten von Athen 2004, die nach ein paar Jahren schon verrotteten. Und in Peking fällt es offensichtlich schwer, eine Nachnutzung für das Vogelnest-Stadion zu finden.Bach: Das Vogelnest wirft aufgrund der vielen Besucher einen Gewinn ab. Zigtausende Menschen besuchen es.Aber in Athen sprießt das Unkraut.Bach: Abseits aller Polemik muss man das im Gesamtzusammenhang sehen. Dass sich in Athen die Nachnutzung nicht so gestaltet, wie man sich das gewünscht hat, ist offensichtlich. Aber Sie sehen den hohen Grad der Nachnutzung in Peking und vor allem in London, der sogar die selbstgesteckten, ehrgeizigen Ziele übersteigt.Die deutschen Pläne einer Olympiabewerbung sind mittlerweile sehr konkret. DOSB-Generaldirektor Michael Vesper sagte: ,Wenn ein Land in der Lage ist, Fußball-EM und Olympische Spiele in einem Jahr auszurichten, dann ist das Deutschland.\' Ist es aus Sicht des IOC möglich, diese beiden Großereignisse in einem Jahr in einem Land durchzuführen?Bach: Ja. Mit welchem zeitlichen Abstand?Bach: Da gibt es keine festgefügten Bestimmungen. Es ist aber klar, dass sie nicht gleichzeitig stattfinden können. Mit einer zeitlichen Entzerrung ist es möglich. Die Veranstaltungen wären auch räumlich entzerrt, weil eine Fußball-EM ja in einem ganzen Land und Olympische Spiele schwerpunktmäßig in einer Stadt stattfinden.Die Leichtathletik-WM 2019 finden in Doha statt. Daraus schließen Beobachter, dass sich Katar für eine neuerliche Olympiabewerbung warmläuft. Begrüßt das IOC solch eine Bewerbung?Bach: Wir begrüßen Bewerbungen von allen Kontinenten. Wir freuen uns über eine positive Diskussion um Bewerbungen für 2024, die es in vielen Ländern gibt.Doha ist zuletzt gar nicht in die Endauswahl gekommen, weil der vorgeschlagene Termin im Oktober als ungünstig galt. Wird es künftig möglich sein, aus dem olympischen Stammmonat August wegzugehen?Bach: Das ist eine schwierige Frage. Deshalb finden Sie in den Reformvorschlägen auch die Einführung einer dritten Phase der Bewerbung, die sogenannte Einladungsphase. Darin wollen wir mit Bewerbern über die örtlichen Besonderheiten diskutieren, um auszuschließen, dass man eine Bewerbung annimmt, viel Geld wird investiert und etwas später findet man objektive Faktoren, die verhindern, dass dort Olympische Spiele stattfinden können.Also erst die Vergabe eines Großereignisses und dann die Diskussion um den Termin - so wie wir es rund um die Fußball-WM 2022 erleben - soll es nicht geben?Bach: Nein.Im Winter ist der Modernisierungsprozess der Olympischen Spiele fortgeschritten, man denke an die Sportarten Snowboard und Ski-Freestyle. Aber im Sommer ...Bach: Wir müssen im Sommer moderner, frischer werden. Wir haben jetzt bei den Jugendspielen ein "Sports Lab" eingeführt. Sportarten wie Klettern, Wushu, Skateboarden konnten sich dort präsentieren. So hatten wir die Sportarten schon einmal im Umfeld der Spiele, aber noch nicht im festen Programm. Durch eine Flexibilisierung des Programms bekämen wir neue Möglichkeiten.Nun sind allerdings die beiden Sportarten, die für die Olympischen Spiele 2016 neu ins Programm kommen, eher traditionell: Golf und Rugby, in der Variante Siebener-Rugby.Bach: Rugby ist zwar traditionell, die Siebenervariante hingegen jung. Wir reden aber jetzt über die Reformvorschläge, die hoffentlich verabschiedet werden. Schon 2020 in Tokio könnten wir Veränderungen sehen.

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