Sport Cheerleading: Wo Mädels auf Händen getragen werden (Video)

Trier · Cheerleading ist mehr als nur Glamour und Show. Gefragt sind Akrobatik, Ausdruck und Ausdauer. Ein Besuch bei den Spirits Cheerleader in Trier.

Sport: Cheerleading: Wo Mädels auf Händen getragen werden (Video)
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Wem kommt beim Stichwort "Cheerleading" nicht eine gut bestückte und gut situierte, überschminkte Blondine im kurzen Glitzer-Röckchen in den Sinn, die in einem schlechten US-College-Streifen mit dem Quarterback des lokalen Football-Teams liiert ist und von einer Intrige in die nächste schlittert.

Cheerleading fristet vielfach ein Schubladendasein mit eher durchwachsenem Image - zu Unrecht.

Nebenhalle der Arena Trier, Montagabend. Bunte, raschelnde Tanzwedel sucht man vergebens. Stattdessen werden dünne Turnmatten auf dem Boden verteilt.

One, two, three, four - es geht in die Höhe. Hebefiguren und menschliche Pyramiden stehen bei der Gruppe "Spirits Cheerleader" des PST Trier auf dem Trainingsprogramm. Es wird schweißtreibend. Cheerleading - auch ein Leistungssport abseits der Präsenz bei Football- oder Basketballspielen.

Mit dabei an diesem Abend: drei Männer! Entgegen der landläufigen Meinung ist Cheerleading keine reine Angelegenheit der Mädels.

Stephan Schmidt pustet einmal kräftig durch, ehe er ein weibliches Teammitglied in den Hallenhimmel hievt. Die Männer sind meist in den Turn- und Akrobatikteilen aktiv. An ihnen ist es, die Teamkolleginnen hochzuhalten, hochzuwerfen und wieder aufzufangen.

Der 29-jährige Student ist seit drei Jahren Cheerleading-Abteilungsleiter. Er kennt die Klischees, mit denen seine Mitstreiter und er konfrontiert werden: "Bei den Mädels heißt es, sie trügen nur kurze Röckchen, hätten Pom-Poms in der Hand und würden herumhüpfen. Und als Mann wäre man ja eh nur wegen der Mädels dabei." Würde man den Vorurteilen mit Bildern und Videos entgegenwirken, würden die Lästereien schnell verstummen.

Cheerleading erfordert turnerische Fähigkeiten, Akrobatik, Kraftausdauer, Eleganz, Mut und gegenseitiges Vertrauen. In der 2005 gegründeten Trierer Gruppe - derzeit sind es 14 Frauen und vier Männer im Alter von 15 bis 29 Jahren - kommen die Mitglieder unter anderem aus dem Leistungsturnen oder auch vom Parkour.

"Mitmachen kann grundsätzlich jeder, der eine sportliche Grundfitness besitzt. Einen Handstand und ein Rad schlagen sollte man auch können", sagt Schmidt.

"Es ist nicht nur Turnen, es ist nicht nur Tanzen, es ist eine Sportart für sich, bei der auch das Teamwork eine wichtige Rolle spielt. Man muss zusammenhalten, um etwas zu schaffen", sagt Teammitglied Linda Gorges (18) aus Grevenmacher.

Die Trierer Gruppe, die zu verschiedenen Anlässen auftritt, nimmt auch an Meisterschaften teil. Derzeit erarbeitet sie sich ihr neues Programm, mit dem sie am 17. Juni beim Summer-Cheer-Masters in Koblenz antritt. Zweieinhalb Minuten - vollgepackt mit Turn-, Akrobatik-, Tanz- und Übergangselementen. Das Spektakulärste: Wurfelemente und der Bau von Pyramiden. Schmidt: "Es muss immer was passieren, es muss immer Action sein."

Und das genau durchgetaktet: Jeder muss exakt wissen, was bei den angesagten Zahlen passiert.

All das soll spielerisch leicht aussehen, genau abgestimmt auf die Musik. Dahinter steckt harte Arbeit. Bis alles passt, vergeht eine rund fünfmonatige Trainingsarbeit. Mitte April wollen die Trierer ihr Programm erstmals komplett absolvieren.

"Die Musik ist immer ein großer Streitpunkt bei der Programmerstellung. Die einen wollen die aktuellen Charthits, andere ihre Lieblingslieder. Man versucht einen Beat zu finden, der dem Zählrhythmus angepasst ist", erläutert Schmidt. Er berichtet sogar von einem Dienstleistungssektor auf diesem Gebiet: "Es gibt Firmen, die für viel Geld die Programmerstellung übernehmen. Ein Programm würde 2000 Euro kosten, die Musik dazu weitere 800 bis 1000 Euro."
Bei Meisterschaften werden die Programme, die auf einer 14 mal 14 Meter großen Wettkampffläche präsentiert werden, durch drei Kampfrichter nach einem genauen Regelwerk bewertet. Während der Präsentation muss alles sitzen. "Wir brauchen als Gruppe absolute Sicherheit. Anders als in anderen Sportarten können beim Cheerleading Fehler nicht korrigiert werden", sagt Schmidt.

Keine Frage: Cheerleading ist auch Show. Die Gruppen tragen einheitliche Uniformen. Auch ein passendes Styling der Haare und Make-up gehören dazu. Schmidt: "Es geht auch um Entertainment. Man versucht, das Publikum zu begeistern. Dazu braucht man Ausdruck und ein stetes fröhliches Lächeln auch bei höchster Anstrengung."

Cheerleading ist nicht ohne. Bei den Pyramiden und Wurfelementen bewegen sich die Sportler teilweise in Höhen, die dem Zweieinhalbfachen der eigenen Körpergröße entsprechen. Ein Grundsatz lautet: Es sollen mehr Füße nach oben gebracht werden, als auf dem Boden zu lassen - so gelingen spektakuläre Choreographien. Da schwingt die Verletzungsgefahr mit. Schmidt zitiert Listen, nach denen in den USA das Cheerleading zwei Mal zur gefährlichsten Sportart für Frauen "gekürt" worden ist.

Doch der 29-Jährige beschwichtigt: Blaue Flecken und Beulen seien zwar nicht unüblich, schwere Verletzungen aber doch die Ausnahme. Dennoch geht Sicherheit vor. Schmidt: "Wir müssen das Fallen lernen und darauf achten, aufeinander aufzupassen. Gegenseitiges Vertrauen ist dabei eine Grundvoraussetzung."

Mit Teilen des aktuellen Programms wollen die PST-Cheerleader 2018 mal wieder an einer Qualifikation für die deutsche Meisterschaft ihres Verbands teilnehmen. Die Trierer sind im Cheerleading- und Cheerdance-Verband Deutschland (CCVD) organisiert. Daneben gibt es mit der Cheerleadervereinigung Deutschland eine weitere Organisation.
Die Sportart organisiert sich - das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat das Cheerleading Ende des vergangenen Jahres provisorisch als olympische Sportart anerkannt. Nach drei Jahren kann sich der Weltverband offiziell für die Aufnahme in das Programm der Olympischen Spiele bewerben. Dann dürften es Gastgeberstädte bereits als Demonstrationssportart aufnehmen.

Schmidt frohlockt: "Das hilft enorm, Cheerleading als Leistungssport wahrzunehmen."

Extra

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Foto: Ralf Hirschberger (g_sport

Begriffe-Vielfalt im Cheerleading Das aktuelle Regelwerk für Cheer-Wettkämpfe des Cheerleading- und Cheerdance-Verbands Deutschland enthält in seinem Glossar 141 (!) Fachbegriffe in Englisch - von A wie Aerial bis X wie X-Out. Deshalb hier nur ein paar wichtige Bezeichnungen aus dem Cheerleading:
Base: Eine Person, die auf der Wettkampffläche steht und das Gewicht einer anderen Person trägt. Die Person, die eine Top hält, hebt oder in einen Stunt wirft.
Spotter: Die Person, deren Hauptverantwortung es ist, Verletzungen während Stunts, Pyramiden oder Tosses durch Schutz des Kopfes, Hals-, Rücken- und Schulterbereichs zu vermeiden. Alle Spotter müssen eigene Teammitglieder sein und in verschiedenen Spottertechniken ausgebildet worden sein.
Stunt: Ein Element, bei dem eine Top von einer oder mehreren Person-(en) gehalten wird und sich nicht auf der Wettkampffläche befindet. Ein Stunt wird unterschieden in "One Leg" oder "Two Leg" je nach der Anzahl der Füße der Top, die durch die Base(s) gehalten werden.
Pyramid: Zwei oder mehrere Stunts, die miteinander verbunden sind.
Top (person): Die Person auf einem Stunt, einer Pyramid oder in einem Toss. Toss: Ein Stunt, bei dem die Top von Hüfthöhe der Bases nach oben geworfen wird, um Höhe zu erzeugen. Die Top hat dann keinen Kontakt mehr zu den Bases.

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