Steuer-Poker auf Hartz-IV-Niveau

Wenn die schwarz-gelbe Koalition die Steuern senkt, haben auch die Länder unter den Steuerausfällen zu leiden - weshalb sie sich gegen die Umsetzung der Pläne sträuben. Nun winkt Entlastung, die versöhnlich stimmt: Der Bund könnte sich stärker an den Unterhaltskosten für Hartz-IV-Empfänger beteiligen.

Berlin. Im Bund-Länder-Poker um eine mögliche Kompensation der Steuerausfälle durch das geplante Wachstumsbeschleunigungsgesetz sind jetzt auch die Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger ins Blickfeld geraten. Der schleswig-holsteinische FDP-Chef Jürgen Koppelin verwies gestern gegenüber unserer Zeitung darauf, dass man in Kiel einen Katalog möglicher Ausgleichsmaßnahmen zusammengestellt habe, der auch eine Entlastung der Kommunen bei den Kosten für Langzeitarbeitslose enthalte. Zuvor hatte schon Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) entsprechende Überlegungen bestätigt.

Ohne die Stimmen der schwarz-gelben Landesregierungen in Kiel und Dresden kann das Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht wie geplant zum 1. Januar 2010 in Kraft treten. Die Länderkammer will darüber am 18. Dezember entscheiden.

Der Streit über die Aufteilung der Miet- und Heizkosten für Langzeitarbeitslose schwelt schon seit Jahren. Erst in der vergangenen Woche hatte der Bundestag eine Neuregelung beschlossen, wonach der Bund seinen Zuschuss an die Kommunen im kommenden Jahr von durchschnittlich 26 auf 23,6 Prozent der Gesamtkosten zurückführt. Entsprechend höher liegt dann der Anteil der Städte und Gemeinden. Nach der geltenden Rechtslage ist die Höhe des Zuschusses von der Entwicklung der sogenannten Bedarfsgemeinschaften abhängig. Unterschreitet sie eine bestimmte Schwelle, fällt auch die Bundeshilfe niedriger aus.

Zwar weniger betroffene Haushalte, aber mehr Kosten



Tatsächlich ist die Zahl der auf Hartz-IV angewiesenen Privathaushalte 2008 um knapp 150 000 auf 3,58 Millionen gegenüber dem Vorjahr gesunken. Diese Daten der Bundesagentur für Arbeit lassen aber noch keine Rückschlüsse auf die konkreten Kosten zu.

Laut Deutschem Städtetag hat die Rechtslage zu der paradoxen Entwicklung geführt, dass die Bundesbeteiligung seit drei Jahren rückläufig ist, obwohl die Gesamtaufwendungen im gleichen Zeitraum zugelegt haben.

So gaben die Kommunen im Jahr 2007 rund 13,7 Milliarden Euro für die Unterkunft von Hartz-IV-Empfängern aus. Der Bund beteiligte sich daran mit 4,36 Milliarden. 2009 werden die Kommunen mit 13,8 Milliarden Euro zur Kasse gebeten. Aber der Bund steuert anteilig nur noch knapp 3,6 Milliarden Euro bei. Ursache für die kommunalen Mehrbelastungen sind in erster Linie gestiegene Heizkosten. Dadurch wird die rückläufige Zahl der Bedarfsgemeinschaften überkompensiert.

Nach Ansicht von Experten ist dieser Effekt aber nicht der einzige Webfehler des Gesetzes. Als die Regelungen ausgetüftelt wurden, schlugen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz eine Vorzugbehandlung für sich heraus. So kommt es, dass der Beteiligungssatz des Bundes im kommenden Jahr dort bei 27 beziehungsweise 33 Prozent liegt, während er für die Kommunen in den übrigen Bundesländern nur 23 Prozent beträgt.

In Schleswig-Holstein kann man sich daher gut vorstellen, künftig ebenfalls von einer Extrawurst zu profitieren. Als denkbar gilt aber auch der Ausgleich über eine verstärkte Bundesbeteiligung an den Bildungskosten. Dadurch könnten die Kommunen ebenfalls entlastet werden. Laut Kieler Landesregierung führt das Wachstumsbeschleunigungsgesetz im Landeshaushalt zu Einnahmeverlusten von 70 Millionen Euro. Weitere 60 Millionen gingen zulasten der kommunalen Etats verloren.

Mehr Klarheit über einen möglichen Ausgleich wird von einem internen Treffen der Bundeskanzlerin mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU) am kommenden Sonntag erwartet. Neben Angela Merkel (CDU) sollen daran auch Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) und Kanzleramtschef Ronald Pofalla teilnehmen.

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