Wann ist Krieg? Grundgesetz hat klare Vorgaben

Auch wenn sich die Politiker nach und nach aus der Deckung wagen und im Zusammenhang mit Afghanistan von Krieg sprechen: Um den Verteidigungsfall in Kraft treten zu lassen, reicht das noch lange nicht aus.

Berlin. Es hat lange gedauert, bis der damalige Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) bereit war, in Afghanistan gestorbene Soldaten "Gefallene" zu nennen. Im Oktober 2008, bei der Trauerfeier für zwei getötete Bundeswehrangehörige, benutzte er das Wort erstmals mit der Begründung, Soldaten und Angehörige erwarteten mehr Anerkennung und Ehrlichkeit. Den Begriff "Krieg" hat Jung nie verwendet. Sein Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist da anders: Erst sprach er von "kriegsähnlichen Zuständen", eine Einschätzung, die auch Kanzlerin Angela Merkel übernahm; jetzt spricht er "umgangssprachlich von Krieg".

Vom Kriegsfall ist in der Verfassung nicht die Rede, dafür aber vom "Verteidigungsfall" - und der muss laut Artikel 115a vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates festgestellt werden. Bleibt dafür keine Zeit, entscheidet gemäß Artikel 115e der "Gemeinsame Ausschuss" aus beiden Kammern. Es reicht somit nicht aus, dass ein Regierungsmitglied wie Guttenberg von Krieg spricht, um die weitreichenden Bestimmungen für den Verteidigungsfall in Kraft treten zu lassen. Eine Konsequenz wäre dann, dass die Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr an die Kanzlerin überginge. Auch die von der 68er-Bewegung so heftig kritisierten Notstandsgesetze kämen zur Anwendung.

Wie verhält es sich indes völkerrechtlich? Dass völkerrechtlich nicht von einem Krieg in Afghanistan gesprochen werden könne, betont Guttenberg ebenfalls. Denn dann müssten sich zwei oder mehr Staaten in einer bewaffneten Auseinandersetzung miteinander befinden. Außerdem hat nach dem Zweiten Weltkrieg der Begriff "bewaffneter Konflikt" den Begriff "Krieg" international weitgehend abgelöst, auch wenn aus Sicht vieler Bürger vermutlich Krieg nun mal Krieg ist.

Die Bundesregierung jedenfalls nähert sich schrittweise den Realitäten an: Anfang Februar sprach Außenminister Guido Westerwelle (FDP) von einem "nicht-internationalen bewaffneten Konflikt", an dem die Truppen in Afghanistan beteiligt seien. Gegner seien nicht Staaten, sondern bewaffnete Aufständische. Deutsche Soldaten müssen nun weniger juristische Konsequenzen befürchten, wenn sie am Hindukusch Menschen töten. Bislang unterliegen sie dem deutschen Strafgesetzbuch, das das Töten verbietet und in der Regel Ermittlungen auslöst. Dass Guttenberg mit Einschränkung von Krieg spricht, ist vor allem als Signal an die Truppe gedacht, die die Lage in Afghanistan so empfindet.

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