Wenn es warm wird, strahlt es mehr

Das Land überwacht mit 27 eigenen Mess-Stationen die Strahlung der Kernkraftwerke im lothringischen Cattenom und der Anlagen im rheinland-pfälzischen Mühlheim-Kärlich und im hessischen Biblis. Doch selbst wenn eine dieser Stationen über längere Zeit erhöhte Werte funkt, ist man im zuständigen Ministerium nicht beunruhigt.

Konz/Mainz. Wenn irgendwo erhöhte Radioaktivität festgestellt wird, ist das ein Grund, alarmiert zu sein. Sollte man denken. Doch im Mainzer Umweltministerium sieht man das gelassener. Dass im April über mehrere Tage an einer Station in Konz höhere Strahlenwerte als üblich gemessen wurden, beunruhigte jedenfalls niemanden im Ministerium. Erst als der Konzer Bürgermeister, der wiederum von der Umweltschützerin Elisabeth Quaré auf die Mess-Ergebnisse aufmerksam gemacht worden war, sich an das Ministerium wandte, wurde nachgeschaut, warum die Station, die auf einer Schule installiert ist, erhöhte Werte maß. Ergebnis: Eine Mess-Sonde war defekt, immer wenn die Temperatur über 15 Grad stieg, funkte die Anlage erhöhte Strahlenwerte nach Mainz. Solche Schwankungen würden "in gewissen Grenzen toleriert", sagt Stefanie Mittenzwei, Sprecherin des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums.

Täglich werden die Daten der insgesamt 27 Mess-Stationen des Landes, die Strahlung der Kernkraftwerke Cattenom an der französischen Obermosel, im rheinland-pfälzischen Mühlheim-Kärlich und im hessischen Biblis messen, automatisch an das Ministerium gefunkt. Dort werden sie ausgewertet und laut Mittenzwei auf Plausibilität geprüft, also ob etwa alle Stationen erhöhte Werte messen oder nur eine, oder ob eventuell durch Regen die Strahlendosis gestiegen ist. Niederschläge können nämlich den natürlich vorkommenden radioaktiven Stoff Radon freisetzen und dadurch zu höheren Strahlenwerten führen. Meist handele es sich in solchen Fällen nur um eine kurzzeitige Erhöhung der Werte, sagt Mittenzwei. Das deute daraufhin, dass es sich nicht um einen Störfall handele.

Das wahr wohl auch der Grund, warum die über Tage erhöhten Werte in Konz im Ministerium niemanden beunruhigten. Obwohl die dort gemessene Strahlung zeitweise über dem Mittelwert von 0,1 Mikrosievert pro Stunde lag. Die zulässige natürliche Strahlenbelastung pro Jahr liegt um ein Vielfaches höher.

Umweltschützer sprechen von "Skandal"



"Die erhöhten Anzeigenwerte beruhten nicht auf einer erhöhten Umgebungsstrahlung, sondern auf einem technischen Temperatureffekt der Sonde", sagt die Ministeriumssprecherin. Trotzdem sei es nicht nötig gewesen, die Sonde sofort auszuwechseln. "Ein Skandal", sagt Elisabeth Quaré. Sie ist in der Umweltschutzgruppe Maus (Messen für aktiven Umweltschutz, www.maus-trier.de) tätig. Die Gruppe betreibt eigene Strahlenmessanlagen rund um das Kernkraftwerk Cattenom und wertet die Daten der Stationen des Landes aus. "Es gibt zu denken, dass extreme Radioaktivitätswerte im staatlichen Messnetz auftreten, und niemand dort merkt es", sagt Quaré. Auch die Tatsache, dass der Konzer Bürgermeister erst durch ihre Anfrage erfahren hat, dass es in seiner Stadt überhaupt eine solche Station gibt, spreche nicht unbedingt für die Professionalität des Ministeriums. Dort wehrt man sich: Die Gemeinden seien bei der Installation der Sonden informiert worden.

extra

Messstationen: An diesen Standorten messen Sonden die Strahlung des Kernkraftwerkes Cattenom: Perl, Saarburg, Konz. Trier-Euren, Trier-Tarforst und Trier Mitte. Die Werte können im Internet abgerufen werden unter www.strahlung-rlp.de

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