Eine Schule der ganz anderen Art

Die Ludwig-Simon-Realschule und die Cusanus-Hauptschule haben ein gemeinsames Konzept für die künftige IGS auf dem Wolfsberg vorgelegt. Ziel: anspruchsvolle Pädagogik, umfassende Integration und als besonderes Markenzeichen die Kooperation mit einer Grundschule am gleichen Standort.

Trier. Der Zeitdruck war enorm in den letzten Wochen. Bis zum 31. März muss die Stadt die entsprechenden Anträge einreichen, wenn die erste Trierer Gesamtschule, wie vom Stadtrat beschlossen, im Sommer 2010 ihre Pforten öffnen soll. Und dazu gehört auch ein tragfähiges pädagogisches Konzept für diese Schulform, die in der Region Trier bislang völlig vernachlässigt wurde.

In dieser Woche hat eine Arbeitsgruppe der beiden Schul-Kollegien, an deren Standort die IGS entstehen soll, ihre "konzeptionelle Beschreibung" vorgelegt, die dem Antrag beim Bildungsministerium zugrunde liegt - sofern die Stadt die Vorstellungen mitträgt. Ein mit Spannung erwartetes Papier, und das aus zwei Blickwinkeln: Zum einen soll es diejenigen überzeugen, die hohe inhaltliche Ansprüche an eine Gesamtschule stellen. Zum anderen soll es aber auch zu dem passen, was die Stadt (sich) leisten kann, denn sie muss die räumlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen schaffen.

Schon aus dem Rahmenkonzept wird deutlich, dass auf dem Wolfsberg eine möglichst umfassende Integration angestrebt ist. Das beginnt mit der am Standort neu anzusiedelnden Grundschule Mariahof. Man öffne damit "die Option für ein gemeinsames Lernen von der ersten bis zur 13. Klasse", betont Realschulleiter Josef Linden, und das sei "ein bildungspolitisches Pfund", weil es so umfassend "fast nirgendwo im Land angeboten wird". Auch Lindens Hauptschul-Kollege Alfred Gelz sieht in der Verlagerung der Grundschule auf den Wolfsberg "die aus unserer Sicht wichtigste Weichenstellung für eine erfolgreich arbeitende IGS". So hat es auch der Runde Tisch mit breiter Mehrheit empfohlen.

Natürlich können auch Kinder von anderen Grundschulen das neue Angebot nutzen. In der fünften und sechsten Klasse soll es eine gemeinsame Orientierungsstufe mit individueller Förderung, aber ohne Differenzierung nach Fachleistungsgruppen geben. In den Klassen Sieben bis Zehn kann dann der Unterricht fächerweise nach der Leistungsfähigkeit der Schüler differenziert werden, aber der Klassenverband soll erhalten bleiben. Je nach Neigung und Kompetenz können die Schüler dann entweder die Berufsreife nach der neunten Klasse erwerben, mit der mittleren Reife nach der Klasse Zehn abgehen oder in die hauseigene MSS-Oberstufe wechseln. Dort sollen Leistungsfächer wie Sport, Musik und Bildende Kunst für ein unverwechselbares Profil sorgen.

Geht es nach den Machern des Konzepts, wird die IGS neue pädagogische Wege beschreiten. Die jeweils vier Klassen eines Jahrgangs gehören zu einer auch räumlich benachbarten "Großgruppe", die von einem "Lehrer-Team" betreut wird. "Tisch-Gruppen" als "kleinste soziale Einheit" bilden das Fundament der Arbeit, großes Gewicht soll dem Umgang miteinander beigemessen werden.

Ein sinnvoll durchstrukturiertes und rhythmisiertes Ganztags-Angebot gehört ebenso zum Portfolio wie Projektunterricht und Arbeitsgemeinschaften. Neben den Zeugnissen sollen die Schüler auch eine differenzierte "verbale Beurteilung" erhalten. Zur Entlastung des pädagogischen Personals will man, wie im Schulentwicklungskonzept angedacht, zumindest probeweise die Funktion eines Verwaltungsdirektors schaffen, der für das Budget der Schule verantwortlich ist.

Die Schulen haben das Konzept zunächst dem Stadtvorstand vorgelegt. Sollte es kommende Woche im Stadtrat grünes Licht geben, wollen Rektor Linden und sein Kollege in die Weiterentwicklung verstärkt Eltern und interessierte Lehrer einbinden.

Da passt es gut, dass die Ludwig-Simon-Realschule gerade bei einer bundesweiten Aktion des Magazins "Focus-Schule" als "Schule der offenen Tür" ausgezeichnet worden ist.

Die Entscheidung über das weitere Verfahren fällt am 31. März im Stadtrat.

Meinung

Nicht kneifen

Das Konzept für die Gesamtschule Wolfsberg ist spannend, anspruchsvoll und mutig. Keine "IGS light", wie man hätte fürchten können. Eine Chance für die Schulstadt Trier. Freilich steht und fällt der ambitionierte Ansatz mit der Schaffung der baulichen Voraussetzungen und der Bereitschaft, Bewegung in die Schullandschaft zu bringen. Wenn die Stadt da kneift, fällt das ganze Projekt "IGS 2010" in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Dass nun unter extremem Zeitdruck über zweistellige Millionen-Investitionen und eine sensible Grundschul-Verlagerung beraten werden muss, ist ärgerlich. Aber die beteiligten Schulen können nichts dafür. Der Runde Tisch hat sein Votum ausgesprochen. Über Details kann man sicher noch reden. Aber in der Hauptsache muss der Rat jetzt wohl oder übel springen - vielleicht auch über seinen Schatten. d.lintz@volksfreund.de

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