Sechzig gemeinsame Jahre

Kasel · Am 23. Mai 1949 um 7.15 Uhr fand für Familie Kartheiser in Kasel (Kreis Trier-Saarburg) ein Großereignis statt: Töchterchen Ursula kam auf die Welt. „Nach einiger Anstrengung meinerseits und meiner Mutter“, sagt die Kaselerin, die heute Ursula Kopp heißt. Sie ist so alt wie die Bundesrepublik und eng mit deren Geschichte verbunden.

Im Ort nennt sie alle Welt kurz Ulla. Der Kosename passt zu ihrer offenen Art. Ulla ist ein Familienmensch. Sie hat fünf Kinder großgezogen und kümmert sich nun um ihre sechs Enkel.

Der soziale Aspekt ist ihr nicht nur in ihrem eigenen Leben ein Leitfaden. Sie findet, er müsste auch im großen Ganzen mehr beachtet werden. In Artikel 1 des Grundgesetzes, das am gleichen Tag wie sie Geburtstag feiert, steckt für Ursula Kopp die wichtigste Botschaft: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Sie bedauert, dass sich der Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 „bis heute noch nicht überall durchgesetzt hat“. Die unterschiedliche Bezahlung gleicher Arbeit von Männern und Frauen regt sie auf. 1994 tritt Ursula Kopp der SPD bei und lässt sich in den Gemeinderat wählen.

Endlich D-Mark statt Francs in der Tasche

Die politische Dimension der Arbeiterklasse lernt die 14-jährige Ulla während ihrer Ausbildung zur Fleischerei-Fachverkäuferin kennen, als sie ein Referat über den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR vorbereitet.

Von einem anderen historischen Ereignis ist sie unmittelbar betroffen: Nach der An<130>gliederung des Saarlandes 1957 kann ihre Tante aus Saarbrücken nicht mehr sagen: „Ich kann dir leider kein Geld geben.“ Denn nun hat sie „endlich“ D-Mark statt Francs in der Tasche.

In den 60er Jahren <243>dringen die Informationen über den ersten Schwarz-Weiß-Fernseher ins Wohnzimmer der Familie Kartheiser. Mit Entsetzen verfolgt die zwölfjährige Ulla den Mauerbau. Sie sieht und hört John F. Kennedy am 26. Juni 1963 den historischen Satz sprechen: „Ich bin ein Berliner.“ Dass die Beatles 1966 durch Deutschland touren, lässt Ulla kalt. Sie steht mehr auf Peter Kraus und Freddy Quinn. Politisch sind Willy Brandt und Helmut Schmidt ihre Favoriten.

Anliegen: Den Staat mitgestalten

1972 heiratet Ulla ihren Mann Rolf und bleibt mit ihm zwei Jahre im Schwarzwald. Die Gegend muss sie 1973 wegen der Ölkrise und den damit verbundenen Fahrverboten an manchen Sonntagen zu Fuß erkunden.

1974 – dem Jahr, in dem Helmut Schmidt Kanzler wird, bringt Ulla zwei Söhne zur Welt. Sie ist bereits Mutter von zwei Töchtern, ein drittes Mädchen folgt 1977. Da steckt die BRD mitten im „deutschen Herbst“.

Ursula meidet Studentenlokale wegen des „Krawalls“. Die öffentliche Verunsicherung erlebt sie hautnah, als ihr Mann von Polizisten mit Maschinengewehren in Schach gehalten wird, weil er sich nicht ausweisen kann.

Den Staat mitzugestalten, der genauso alt ist wie sie selbst, ist Ursula Kopp ein wichtiges Anliegen. Deshalb wird sie bei der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag auf jeden Fall ihre Stimme abgeben. Denn: „Mit Maulen auf der Couch erreicht man nichts!“

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