Bahn stellt Behinderte auf Abstellgleis

WITTLICH. (wie) Behinderte sind beim Bahnfahren benachteiligt. Die Bahn weigert sich, Rollstuhlfahrer außerhalb bestimmter Zeiten in den Zug zu helfen. Grund: Es gibt zu wenig Personal.

"Fahrgäste mit Handicap sind gern gesehene Kunden der Deutschen Bahn." So wirbt das Unternehmen im Internet um behinderte Fahrgäste - vergisst dabei aber zu sagen, dass Rollstuhlfahrer nur zu bestimmten Zeiten "gern gesehen" sind. Eine Erfahrung, die Irmtraud Bittmann aus Piesport (Kreis Bernkastel-Wittlich) machen musste. Die 55-jährige Querschnittsgelähmte, die seit 32 Jahren im Rollstuhl sitzt, will am 27. August mit dem Zug von Wittlich über Koblenz nach Kiel fahren, von wo aus sie eine Kreuzfahrt startet. Um 9.33 Uhr geht ihr Zug - allerdings ohne sie. Denn zu dieser Zeit hat die Bahn in Wittlich noch kein Personal, das den Heblift bedienen kann, mit dem die Rollstuhlfahrerin in den Zug gehoben werden kann. Montags, donnerstags und samstags gehe das nur zwischen 10.10 Uhr und 17.10 Uhr, sagt Bahnsprecher Hartmut Lange. Dann wird das Personal nach Bedarf nach Wittlich geschickt. Freitags und sonntags können Behinderte in Wittlich zwischen 12.10 Uhr und 19.10 Uhr einsteigen, dienstags gar nicht. Dabei wirbt die Bahn mit Behinderten-freundlichkeit. Erst vor einem Monat wurde das Behinderten-Programm in Berlin vorgestellt. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft eine Lücke. Knapp 400 von 6000 Bahnhöfen sind rollstuhlgerecht, nur an 250 Bahnhöfen steht Personal als Einstiegshilfe bereit. "Ich habe schon einiges mit der Bahn erlebt. Einmal wurde ich sechs Stunden vor der Toilette abgestellt, ein anderes Mal wurde ich im Gepäckwagen mitgenommen. Doch nun will man mich gar nicht mitnehmen", ärgert sich die ansonsten sehr mobile Frau. Der Mobilitätsservice der Bahn, bei dem sie anmeldete, dass sie eine Einstiegshilfe braucht, konnte ihr nicht helfen und riet, sie solle - ungeachtet der Anschlusszüge - später fahren. Es ist nicht das erste Mal, dass der Wittlicher Bahnhof als Behinderten-unfreundlich auffällt. Rollstuhlfahrer beschwerten sich bereits häufiger, dass kein Personal für den Heblifter zur Verfügung steht. Ein Rollstuhlfahrer musste bis Trier fahren, weil er in Wittlich nicht aussteigen konnte. Auch in Cochem, Konz, Trier und Bullay gibt es nur zu bestimmten Zeiten Einstiegshilfen. An den anderen Bahnhöfen der Region ist der Zug für "Rollis" abgefahren. Auch die Behinderten-Beauftragte der Stadt Mainz, selbst Rollstuhlfahrerin, machte schlechte Erfahrungen mit der Bahn: Im Mainzer Bahnhof gab es keine Ausstiegshilfe für sie.

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