Lebensgefahr: Wenn Medizin krank macht

TRIER. (wie) Die Zahlen sind dramatisch: Pro Jahr sterben etwa 16 000 Menschen an Nebenwirkungen von Arzneimitteln. Das sind mehr als doppelt so viele Opfer wie im Straßenverkehr.

Rund 45 000 Medikamente sind in Deutschland auf dem Markt. Allein im vergangenen Jahr wurden vom Bonner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 3052 neue Medikamente zugelassen. Jährlich werden dem Institut rund 10 000 bis dahin unbekannte Nebenwirkungen gemeldet. Offizielle Statistiken über die Zahl der Todesfälle gibt es nicht. Die Stiftung Warentest schätzt, dass etwa 300 000 Menschen jährlich wegen so genannter unerwünschter Arzneimittelwirkungen in ein Krankenhaus eingewiesen werden. 25 000 davon, so die Stiftung in dem Handbuch "Medikamente", sterben an den Nebenwirkungen. "Das ist zu hoch gegriffen", glaubt Professor Peter Schönhofer, Herausgeber des Fachblattes "Arznei-Telegramm" und ehemaliger Leiter des Instituts für klinische Pharmakologie in Bremen. Laut Schönhofer sterben 16 000 Menschen pro Jahr an unerwünschten Medikamentenwirkungen. "Man kann davon ausgehen, dass etwa die Hälfte der Fälle vermeidbar wären, durch bessere Schulung und vor allem Hersteller unabhängiger Arzneimittelinformation der Ärzte", sagte Schönhofer dem TV . Es sind nicht nur die spektakulären Todesfälle durch die Einnahme des Cholesterin-Senkers Lipobay oder des Potenzmittels Viagra, die aufhorchen lassen. Vermeintlich harmlose Medikamente, wie etwa Rheuma- oder Schmerzmittel, können sich als gefährlich erweisen. Viele Wirkungen zeigen sich erst nach längerer Einnahme. Die Stiftung Warentest beklagt: "Es gibt kein einheitliches Erfassungssystem für Arzneimittel-Zwischenfälle." Die Datenqualität müsse durch Einführung eines elektronischen Berichtsbogens verbessert werden, forderte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Sie spricht sich für die Einführung eines Patientenpasses aus, in dem alle eingenommenen Medikamente aufgeführt werden - Datenschützer waren bislang dagegen.

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