Reformen stürzen viele in Armut

TRIER. (ik) Caritas und Diakonisches Werk schlagen Alarm: Die geplanten Sozialreformen träfen vor allem Benachteiligte, kritisieren sie und prophezeien: Viele Menschen werden in die Armut abrutschen.

"Der Begriff Sozialreform ist eine riesengroße Lüge", schimpft Bernd Baumgarten, Geschäftsführer des Diakonischen Werks in Trier. Das Ziel der geplanten Änderungen bei Gesundheitsversorgung, Rente oder Arbeitslosenhilfe sei Sozial-Abbau. Nein, der Gedanke, jeden in die Pflicht zu nehmen, sei nicht falsch. "Aber wir brauchen eine gerechte Verteilung. Wir müssen die Schwächsten stärken."Geplant ist nach Einschätzung Baumgartens genau das Gegenteil. So sollten künftig zwar leistungsfähige Arbeitslose massiv gefördert werden, schwierigere Kandidaten warteten aber vergeblich auf Weiterbildung. Das sieht sein Kollege Bernd Kettern, Geschäftsführer des Caritas-Verbands für die Region Trier, genauso: "Mit großer Sorge" betrachte er die Entwicklung, dass Benachteiligten Qualifizierungschancen genommen würden. Damit hätten sie keine Lebensperspektive mehr. Gruppen wie Sucht- oder Psychisch Kranke, Menschen mit Schulden oder schlechter Ausbildung könnten künftig durchs Rost fallen, fürchtet Kettern.Eng wird es Baumgarten zufolge auch für so manchen Senioren. Schon jetzt müssten viele knallhart rechnen. "Wie sollen die Zahnersatz zahlen?" Baumgartens Prognose: "Wir werden künftig mehr Altersarmuthaben."Auch die Belastung von Familien steige, ohne dass es eine entsprechende Entlastung gebe, sagt Eva-Maria Schmitt, Schuldnerberaterin beim Diakonischen Werk. "Familien, die früher normal leben konnten, haben schon jetzt Probleme, über die Runden zu kommen."Kettern befürchtet die Entstehung einer neuen Unterschicht, die dauerhaft auf Unterstützung angewiesen ist, Schmitt prophezeit, die Mittelschicht werde sich in Richtung Unterschicht bewegen. Beide meinen das Gleiche: Die Armut wird zunehmen. Dabei leben schon viele Menschen am Rande des Existenzminimums. Zur Trierer Tafel, die Lebensmittel an Bedürftige verteilt, kommen an den Ausgabeterminen mehr als 100 Leute. Die Sozialküche im Brüderkrankenhaus gibt täglich 80 bis 90 Essen aus, 20 bis 30 weitere werden im Mutterhaus verteilt - neben 25 Pfund geschmiertem Brot. "Wir stehen erst am Anfang", meint Baumgarten. Und Schmitt sagt: "Da kommt Immenses auf uns zu, das wir noch gar nicht überblicken können."

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