Sanfte Medizin wird nicht mehr bezahlt

TRIER. (wie) Gibt es künftig bei einer leichten Grippe gleich Antibiotika statt eines natürlichen Präparates? Das befürchten jedenfalls Kritiker der Gesundheitsreform. Sie sieht vor, dass rezeptfreie Medikamente nicht mehr von den Kassen bezahlt werden.

Bekommt ein Patient bislang von seinem Arzt Aspirin zur Vorbeugung von Schlaganfall oder Herzinfarkt verschrieben, kann es sein, dass er demnächst ein rezeptpflichtiges, teureres Mittel verschrieben bekommt. Rezeptfreie Arzneimittel wie Aspirin dürfen künftig nicht mehr von den Kassen bezahlt werden. Wird ein grippaler Infekt mit Antibiotika behandelt, zahlt die Krankenkasse, ein rezeptfreies homöopatisches Mittel gegen Grippe muss der Patient aber aus eigener Tasche bezahlen. Ausnahme: Kinder bis 12 Jahren. Normalerweise müssen rezeptfreie Mittel nicht vom Arzt verschrieben werden, tut er es aber, werden sie bislang von den Kassen bezahlt. Eine Milliarde Euro soll eingespart werden, wenn diese Arzneimittel "grundsätzlich in die Eigenverantwortung der Versicherten übertragen" werden, wie es in den Eckpunkten zur Gesundheitsreform heißt. Diese Summe halten viele für zu hoch gegriffen. Gerade mal 658 Millionen Euro haben die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr für Natur-Arzneien ausgegeben. Insgesamt wurden aber Arzneimittel in Höhe von 24,3 Milliarden Euro verschrieben. Auch der Verband der Krankenversicherten sieht nicht, wie mit dieser "Einschränkung der Therapiefreiheit" Geld gespart werden kann. Die meisten rezeptpflichtigen Medikamente seien teurer und hätten größere Nebenwirkungen. Die Apotheker sehen eine klare Benachteiligung der Patienten. Bisher erfolgreiche Medikamente würden ihnen vorenthalten. Stattdessen würden Mittel verordnet, die vielleicht unangemessen stark, auf jeden Fall aber risikoreicher seien. Auch die Pharmazeutische Industrie spricht von einem "erhöhten Gesundheitsrisiko". Rezeptfreie Medikamente seien hochwirksam, hätten kaum Nebenwirkungen und seien billiger, so Verbandsgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. "Damit werden die Arzneimittelausgaben in die Höhe getrieben." Offenbar setzen auch immer mehr Patienten auf Natur statt auf Chemie. 73 Prozent der Deutschen sind laut einer Allensbach-Studie offen für Naturheilprodukte. Die Hersteller dieser Mittel fürchten nun starke Umsatzeinbußen. KOMMENTAR SEITE 2

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