Streit um die Zukunft der Bauern

ROSTOCK. (ik) Mehr Gewicht für die Interessen der Landwirte, weniger Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz: Der Deutsche Bauerntag hat am Mittwoch in seiner "Rostocker Erklärung" eine grundlegende Kursänderung in der Agrarpolitik gefordert.

Abschaffung der Käfighaltung von Legehennen, verschärfte Vorschriften beim Pflanzen- und Emissionsschutz, restriktive Vorgaben für Gentechnik, höhere Preise für Agrardiesel - die Liste der "Gräuel", die Deutschlands Landwirte der grünen Agrarministerin Renate Künast (Grüne) vorwerfen, ließe sich fortsetzen. Der Tenor ist stets gleich: Künast übertreffe die ohnehin strengen Vorgaben der Europäischen Union noch und schränke so die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft ein. Während die Bauern bisher versuchten, sich mit Künasts "Agrarwende" zu arrangieren, protestieren sie nun offen. Hintergrund: Die vorgezogene Bundestagswahl und der mögliche Regierungswechsel nähren die Hoffnung auf eine Umorientierung der Agrarpolitik. Die "Rostocker Erklärung", die der Deutsche Bauerntag gestern verabschiedet hat, fordert einen "grundlegenden Richtungswechsel der Agrarpolitik zu Gunsten aller Landwirtschaftsbetriebe Deutschlands". Leo Blum, Präsident des Bauernverbands Rheinland-Nassau, sagte dem TV, Bürokratie, Reglementierungen und Kontrollen müssten zurückgefahren werden. "Wir erwarten von einer anderen Bundesregierung andere Aussagen." In der Tat lassen Politiker von CDU, CSU und FDP Sympathien für die Forderungen der Bauern - beispielsweise in punkto Gentechnik und Käfighaltung - durchblicken. Anfang der Woche kam aus den Reihen der Union der Vorschlag, Künasts "Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft" nach einem Machtwechsel zum reinen Landwirtschaftsministerium zu machen - eine klare Verschiebung der Prioritäten vom Verbraucher zum Landwirt. Der Protest folgt auf dem Fuße: Verbraucherschützer fürchten, eine Absenkung von Standards gehe zulasten der Lebensmittelsicherheit; Lockerungen beim Anbau gen-veränderter Pflanzen oder bei der Tierfütterung provozierten den nächsten Lebensmittel-Skandal. Umweltorganisationen warnen vor einem freizügigeren Umgang mit Pflanzenschutzmitteln, und Tierfreunde haben Angst, dass Legehennen künftig wieder mit weniger Platz auskommen müssen. Die Bitburger Bundestags-Abgeordnete Ulrike Höfken (Grüne) wirft Union und FDP vor, nach dem Motto "Vorwärts in die Vergangenheit" regieren zu wollen. Ministerin Künast warnt die Bauern vor "leeren Versprechungen" der Union. Auch eine neue Regierung werde "nicht sämtliche Vorschriften streichen und den Bauern jede Menge Geld zuscheffeln".

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