Unmenschliche Zustände hinter Gittern?

WITTLICH. (mic) Zwei Mann in einer Acht- Quadratmeter-Zelle, Waschbecken und Kloschüssel mittendrin - dürfen Gefangene so untergebracht werden, oder verstößt das gegen die Menschenwürde? Die Frage beschäftigt derzeit Gerichte quer durch die Republik - auch das Landgericht Trier. Den Bundesländern drohen Schadenersatzklagen von Gefangenen.

Wer in Deutschland in Haft genommen wird, hat Anspruch auf eine Einzelzelle. Zumindest in der "Ruhezeit". Das sieht das Strafvollzugsgesetz vor, das zugleich aber eine Ausnahme für ältere Justizvollzugsanstalten kennt. Weil in der Praxis die deutschen Gefängnisse chronisch überbelegt sind, ist die Ausnahme längst zur Regel geworden. Folge: Einzelzellen werden zu Zwei-Mann-Zellen umfunktioniert. Sind manche Gefangene über die Gesellschaft in der Zelle noch recht froh, so stoßen ihnen die Bedingungen in den Zwei-Mann-Räumen oft übel auf. Denn die Toiletten - meist einfache Kloschüsseln - stehen in manchen dieser Zellen mitten im Raum, ohne Abtrennung, gleich neben Bett oder Tisch der Gefangenen, wie auch Fabian Scherf, Sprecher des rheinland-pfälzischen Justizministeriums einräumt. Mehrmals täglich müssen sich Gefangene also gezwungenermaßen gegenseitig beim "Geschäft" oder bei der Körperhygiene zusehen. Grundsätzlich solle ein Sichtschutz vorhanden sein, sagt Ministeriums-Sprecher Scherf, doch es gebe immer noch alte Anstalten, in denen das nicht gewährleistet werden könnte.Schon öfter haben in der Vergangenheit Gefangene gegen diese Form der Unterbringung Rechtsmittel eingelegt - Erfolg hatten sie nie. In der Regel wiesen die Gerichte entsprechende Beschwerden mit Hinweis auf die Ausnahme-Regelung ab oder nahmen die Beschwerden erst gar nicht an. Nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom Februar und März 2002, in denen die Rechte von Gefangenen gestärkt wurden, deutet sich nun aber eine Wende an. Die Verfassungsrichter sprechen davon, dass die Unterbringung des Strafgefangenen "seine Menschenwürde verletzen kann". Bundesweit laufen nun mehrere von Gefangenen angestrengte Verfahren. Darunter ist auch der Fall eines Mannes, der Anfang 2001 in der JVA Wittlich für drei Monate mit einem Mitgefangenen in einer Acht-Quadratmeter-Zelle saß und das als "menschenunwürdig" ansah. Seine Beschwerde wurde von der Strafvollzugskammer des Trierer Landgerichts abgewiesen. Doch die Kammer muss sich noch einmal mit dem Fall befassen, wie das Oberlandesgericht Koblenz unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Sollte diesem und anderen Gefangenen Recht gegeben werden, erwartet die Justizministerien der Länder womöglich eine ganze Reihe von Schadenersatzklagen. Denn kurzfristig, sagt auch Ministeriumssprecher Scherf, sei das Problem der Über-Belegung nicht zu lösen. Derzeit gibt es 3409 Gefangene in Rheinland-Pfalz, aber nur 3186 Haftplätze.

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