Auch mit Krankheit selbstbestimmt leben

Ein Unfall, ein Schlaganfall - von einem Tag auf den anderen kann es sein, dass andere für Sie entscheiden. Der Leiter eines Seniorenzentrums und der Chef einer Beratungsstelle berichten aus dem Alltag und geben praxisnahe Tipps, damit Sie auch in der Krankheit selbstbestimmt leben können

Daniel Knopp ist der Leiter des Seniorenzentrums der Barmherzigen Brüder Trier (BKT). Aus Erfahrung weiß er, dass der Einzug ins Pflegeheim selten geplant ist: "Die meisten Menschen kommen in einer akuten Situation, weil sie einen Schlaganfall erlitten haben oder sich die Demenz verschlechtert hat."Er erlebe häufig, dass dann meist, bis auf das Finanzielle, nichts geklärt sei. Immer wieder stellt er fest, dass viele glauben, dass der Ehepartner dann anstelle des Pflegebedürftigen handeln dürfe. Ein Trugschluss! Auch in einer Ehe muss laut Knopp eine Vorsorgevollmacht vorliegen, damit der Partner die Angelegenheiten des Kranken wahrnehmen darf. Selbst die Post darf dem Ehepartner nicht ausgehändigt werden. Irrtum Nummer zwei: Viele Leute glauben, dass eine Vollmacht vom Notar abgesegnet sein muss. "Das bezieht sich nur auf gewisse Bereiche, etwa bei einem Hausverkauf", erklärt der Chef des Seniorenzentrums. Für das normale alltägliche Handeln reiche eine selbstverfasste Vorsorgevollmacht aus.Viele Leute glauben auch, sich mit einer Vollmacht selbst zu entmündigen. "Das ist nicht der Fall", betont Knopp. Er rät davon ab, mehrere Vollmachten auszustellen: "Oftmals wollen Elternteile die Kinder nicht benachteiligen, aber das erweist sich in der Praxis oft als problematisch." Vorteil einer Vorsorgevollmacht: Sie ermöglicht ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit. Das Gericht wird nur eingeschaltet, wenn es zur Kontrolle des Bevollmächtigten erforderlich ist. Anders bei der gesetzlichen Betreuung. Hierbei handelt es sich um die gesetzliche Vertretung von Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln können. Der Betreuer wird durch das Amtsgericht bestellt und ist dessen Kontrolle unterstellt. Wer bestimmen möchte, was medizinisch mit ihm geschehen soll, wenn er nicht mehr selbst entscheiden kann, sollte eine Patientenverfügung erstellen. "In einer Vorsorgevollmacht sind gewisse Bestandteile mit drin, aber die Patientenverfügung ist ausführlicher", sagt Knopp.Reinhard Boesten, Leiter der Abteilung Soziale Beratung- und Betreuung im BKT rät davon ab, "irgend einen Vordruck zu nehmen", sondern sich intensiv mit dem Fall der Fälle zu beschäftigen. Will ich keine lebensverlängernden Maßnahmen oder Maximal therapie? Will ich zu Hause gepflegt werden oder den Angehörigen nicht zur Last fallen? Was wünsche ich mir zum Lebensende? Dies sind einige der Fragen, auf die man eine Antwort finden sollte. Boesten rät, mit dem Arzt des Vertrauens darüber zu sprechen. Parallel dazu sollte man sich mit der eigenen Wertehaltung und dem eigenen Menschenbild sowie der spirituellen Dimension auseinandersetzen. Ziel der Patientenverfügung ist es Boesten zufolge, dass die Menschen verstehen, welcher Wille damit geäußert wird, sie solle ein Verständnis von der Person und ihren Wünschen wiedergeben. Knopp und Boesten betonen: Weder Vorsorgevollmacht noch Patientenverfügung sind Dinge, die zwischen Tür und Angel verfasst werden sollten. Eine ausführliche Auseinandersetzung und vertrauensvolle Gespräche sind wichtig! Das dritte Instrument, um das Selbstbestimmungsrecht bis zum Ende so gut wie möglich zu wahren, ist die Betreuungsverfügung. Sollte ein rechtlicher Betreuer erforderlich sein, so kann vorab in einer solchen Betreuungsverfügung festgehalten werden, wer die Betreuung im Fall der Fälle übernehmen soll - und auch, wer auf keinen Fall als Betreuer in Frage kommt.volksfreund.de/pflege Extra

Informationen und Vordrucke zur Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung sowie Textbausteine zur Patientenverfügung gibt es beim Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz unter Telefon 030/182722721 und im Internet unter bmjv.de Bei den Betreuungsbehörden und -vereinen können Sie sich persönlich beraten lassen. Bei Stadt- oder Kreisverwaltungen sowie in Seniorenbüros erhalten Sie Adressen. In der Stadt Trier gibt es derzeit 29 hauptamtliche Betreuer, davon sind neun selbständige Berufsbetreuer und 20 Vereinsbetreuer (bei fünf Betreuungsvereinen, teilweise auch in Teilzeit tätig). Etwa 70 Prozent aller Betreuungen werden ehrenamtlich geführt. Derzeit sind beim Amtsgericht Trier rund 2250 Betreuungsverfahren anhängig. Zwei Drittel davon in der Stadt Trier, ein Drittel im Kreis Trier-Saarburg. kat

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