Auch mit künstlichem Gelenk ist Sport möglich

Sportlich aktiv zu sein, macht gute Laune und stärkt das Selbstwertgefühl. Aber ist Sport auch für Menschen mit einem künstlichen Gelenk möglich? Natürlich, sagen unsere Experten. Allerdings sind einige Dinge zu beachten. Im letzten Teil unserer Serie "Fit in den Frühling" geben sie Tipps.

 Dr. Bernhard Schmitz. Foto: privat

Dr. Bernhard Schmitz. Foto: privat

Foto: (g_mehrw


Was sind die allgemeinen Voraussetzungen, damit Menschen mit Endoprothesen sportlich aktiv sein können?
Bernhard Schmitz: Die Operation sollte mindestens ein halbes Jahr zurückliegen. Die Operationsnarben müssen reizlos abgeheilt sein, es dürfen keine Entzündungszeichen oder Gelenkinstabilität vorliegen. Zudem sollte das Gehen ohne Gehhilfen schmerzfrei möglich sein.Fit in den Frühling


Gibt es Unterschiede bei der sportlichen Belastbarkeit zwischen zementierten und zementlos eingesetzten Endoprothesen?
Bernhard Schmitz: Grundsätzlich gilt, dass alle Komponenten der Endoprothese sowie das umgebende Gewebe und vor allem der Knochen auf die Dauerbelastung unterschiedlich reagieren. Der Knochenzement verliert im Laufe der Zeit seine Dauerschwingfestigkeit, wird porös und brüchig. Bei der zementfreien Prothese kann es altersabhängig durch Osteoporose oder Inaktivität zu einer verminderten Stabilität des Implantatlagers kommen. Deshalb werden gerade bei sporttreibenden Menschen mit Endoprothesen regelmäßige Kontrolluntersuchungen gefordert.

Gibt es Sportarten, die besser oder weniger gut geeignet sind?
Bernhard Schmitz: Sportarten mit geringen Stoßbelastungen sind besser geeignet, da die neuen Gelenke länger geschont werden. Als ideal gilt Nordic Walking, Fahrradfahren, Wassergymnastik oder auch im Winter Skilanglauf. Weniger gut geeignet sind "Stop and go"-Sportarten wie Handball, Fußball, Volleyball, Basketball und Tennis. Oftmals muss eine geliebte Sportart aufgegeben werden. Es ist aber grundsätzlich möglich, mit einem neuen Gelenk weiter Sport zu machen und auch neue Herausforderungen zu finden. Dies ist natürlich sehr individuell und sollte mit dem Operateur und behandelnden Arzt besprochen werden.
Christoph Müllers: Wer sich nicht sicher ist, mit welcher Sportart er beginnen soll, kann sich einer speziellen Sportgruppe anschließen. Immer mehr Institutionen bieten solche spezielle Gruppen an, in denen Übungen und Aktivitäten ausgesucht werden, die auf der einen Seite nicht schädlich sind und auf der anderen Seite die Problematik aufgreifen und therapeutisch wirken. Auch viele Fitnessstudios haben gut ausgebildete Trainer dafür.

Wie wichtig ist Sport mit einem neuen Hüftgelenk?
Christoph Müllers: Der Begriff Sport ist für einige abschreckend, da er bei vielen sofort den Leistungsgedanken mit einbezieht. Oft ist es besser, über Bewegung oder sportliche Aktivitäten zu sprechen. Der Leistungsgedanke ist in diesem Zusammenhang nicht Sinn der Sache, vielmehr geht es darum, Bewegungsmuster wieder neu zu erlernen und geschwächte Muskulatur wieder aufzubauen. Da die Operation oft am Ende einer langen Phase der Inaktivität oder der falschen Belastung aufgrund von Schmerzen steht, haben viele Patienten über Jahre ihre Bewegung vernachlässigt und sich falsche Bewegungen angewöhnt. Mit geeigneten Übungen kann dies wieder antrainiert werden. Daneben ist natürlich auch die soziale Komponente von sportlichen Aktivitäten in der Gruppe nicht zu vergessen. Generell gilt natürlich, dass Aktivitäten, die ich vorher gemacht und beherrscht habe, nach der Operation auch wieder einfacher zu erlernen sind.

Gibt es Kontraindikationen für die Sportausübung bei Menschen mit Endoprothesen?
Bernhard Schmitz: Speziell nach Austauschoperationen der Endoprothese oder nach Luxationen, also ausgekugelten Gelenken, sowie bei Lockerung oder Instabilität wird von sportlicher Aktivität abgeraten. Im Einzelfall ist eine eingehende Beratung mit dem Operateur erforderlich. Das gilt auch bei nach der Operation verbliebenen ausgeprägten Beinlängendifferenzen sowie bei ungenügender muskulärer Stabilisierung des Gelenks. In diesen Fällen ist eine Beratung mit dem behandelnden Physiotherapeuten und Sporttherapeuten bei Auswahl und Wiederaufnahme des Sports sinnvoll.
Mit unserer Serie "Fit in den Frühling" wollen wir unsere Leserinnen und Leser zu Sport und Bewegung motivieren. Alle Beiträge finden Sie im Internet unter www.volksfreund.de/fitExtra

 Christoph Müllers. Foto: privat

Christoph Müllers. Foto: privat

Foto: (g_mehrw

Dr. Bernhard Schmitz ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Rheumatologie und Sportmedizin. Seit 1993 ist er niedergelassen im Orthopaedicum Trier mit operativem Schwerpunkt für Hüft- und Kniegelenkserkrankung und Gelenkersatzoperationen. Zusammen mit Kollegen leitet er die Orthopädie im Mutterhaus Trier. Christoph Müllers ist Diplom-Sportwissenschaftler im Bereich Prävention und Rehabilitation. Als Medical-Trainer kümmert er sich besonders um die Fitness der Basketballprofis der TBB Trier. Der Personal coach im Sportomedicum auf dem Petrisberg in Trier ist auch Experte für Sturzprophylaxe. r.n.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort