Früherkennung Fast jeder Darmkrebs lässt sich vermeiden

Mehr als 70 000 Menschen erkranken in jedem Jahr in Deutschland an Darmkrebs. 27 000 Betroffene sterben jährlich an den Folgen. Das müsste nicht sein. Denn bei rechtzeitiger Früherkennung liegen die Heilungschancen bei mehr als 90 Prozent.

Früherkennung: Fast jeder Darmkrebs lässt sich vermeiden
Foto: Fritz Krauss (g_mehrw

Darmkrebs gehört zu den häufigsten Tumorerkrankungen in Deutschland und ist dennoch etwas Besonderes. Denn Tumorerkrankungen des Dickdarms, des Enddarms und des Darmausgangs lassen sich wie keine andere Krebsart im Vor- und Frühstadium erkennen und behandeln. Theoretisch könnten fast alle Darmkrebserkrankungen vermieden oder geheilt werden.Den Krebs besiegen

Warum das so ist, erklärt der Chirurg und Proktologe Dr. Janusz Patas: "Bereits zehn Jahre vor einer krankhaften Veränderung lassen sich gutartige Polypen als Vorstufen von Krebs bei einer Darmspiegelung erkennen und entfernen. Das geschieht bei etwa jedem fünften Patienten, den wir untersuchen."
Umso mehr bedauert der Chefmediziner im Ökumenischen Verbundkrankenhaus Trier, dass nur 17 Prozent der Frauen über 55 Jahre das Angebot einer von den Krankenkassen bezahlten Vorsorgedarmspiegelung (Kolos kopie) wahrnehmen. Bei Männern ist die Bereitschaft dazu mit 15 Prozent sogar noch geringer.
Den von den gesetzlichen Krankenkassen angebotenen Test auf verstecktes Blut im Stuhl (siehe Extra) hält Patas ebenfalls für sinnvoll. "Das ist ergänzend wichtig und gut. Aber es gibt auch Tumoren, die nicht bluten. Und wenn Beschwerden wie Verstopfung, Durchfall und Krämpfe auftreten, ist die Erkrankung oft schon in einem fortgeschrittenen Stadium."
Die Angst vor einer Darmspiegelung will der Chefarzt den Menschen nehmen. "Das Verfahren ist standardisiert und wird überall in gleicher Qualität ausgeführt. Es gibt nur selten Komplikationen. Und auch das vorherige Trinken zur Darmspülung ist mittlerweile nicht mehr so schlimm."
Wenn tatsächlich ein Darmtumor diagnostiziert wird, muss in der Regel operiert werden. Der chirurgische Eingriff wird mit einer Chemo- und Strahlentherapie kombiniert. "Alle Patienten haben Angst vor einem künstlichen Ausgang", weiß Patas. "Allerdings muss der nur bei einem Mastdarmkarzinom im Bereich des Darmausgangs dauerhaft sein." Aber auch bei solch einer Erkrankung könne vielen Patienten inzwischen ein künstlicher Ausgang erspart werden, dank gezielter Strahlen- und Chemotherapie vor der Operation.
Von großen Fortschritten bei Diagnose und Behandlung von Darmkrebs spricht auch Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft: "Innerhalb von zehn Jahren ist die durchschnittliche Überlebenszeit von zwölf auf über 30 Monate gestiegen."
Neue Diagnostikverfahren werden laut Bruns dazu beitragen, dass diese dennoch ernüchternde statistische Zahl sich in Zukunft weiter verbessert. Vor allem genetische Diagnoseverfahren ermöglichten es schon jetzt, Tumoren besser zu klassifizieren und die Therapie effektiver und zielgenauer zu definieren.
Die Vision des Chirurgen Janusz Patas ist nicht nur die, dass möglichst alle Frauen und Männer ab einem Alter von 50 Jahren die Vorsorgeuntersuchungen nutzen. "Wir haben auch die Hoffnung, dass irgendwann alle drei Monate ein Stuhltest ausreicht, um eine Krebserkrankung sicher zu verhindern." Voraussetzung für die Früherkennung wird aber auch dann die Bereitschaft der Menschen sein, das Vorsorgeangebot wahrzunehmen.
Dünndarmkrebs ist mit 2000 Neuerkrankungen jährlich im Gegensatz zum Darmkrebs übrigens eher selten. Allerdings gilt auch für diese Tumorerkrankung: Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter.
Extra

Früh erkannter Darmkrebs ist besser heilbar. Die gesetzlichen Krankenkassen bieten Menschen zwischen dem 50. und 55. Lebensjahr jährlich einen kostenlosen Test auf verstecktes Blut im Stuhl an. Ab dem 55. Lebensjahr hat jeder Versicherte die Möglichkeit zu einer Darmspiegelung. Sofern die Untersuchung ohne negativen Befund war, kann diese Koloskopie nach zehn Jahren wiederholt werden. Wer auf eine Darmspiegelung verzichten möchte, kann ab dem 55. Lebensjahr alle zwei Jahre einen Stuhlbluttest nutzen. Bei Frauen und Männern mit einer erblichen Belastung für Darmkrebs (maximal fünf von 100 Menschen) kann nach Empfehlung der Deutschen Krebshilfe darüber hinaus ein spezielles und engmaschiges Früherkennungsprogramm sinnvoll sein. Risikopatienten können sich zum Beispiel in einem der sechs Zentren des Verbundprojektes "Erblicher Darmkrebs" informieren und beraten lassen.
www. hnpcc.de Extra

 So funktioniert eine Darmspiegelung

So funktioniert eine Darmspiegelung

Foto: Radowski

Eine gesunde Ernährung (Ballaststoffe, Gemüse, Obst, Oliven oder Rapsöl, wenig Fett, wenig rotes Fleisch) und reichlich Bewegung (mindestens dreimal pro Woche) senken das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Zudem ist es wichtig, viel zu trinken (zwei Liter kalorienfreie Getränke am Tag; grünen Tee), nicht zu rauchen und auch auf Alkohol zu verzichten. Es gibt Untersuchungen, dass Aspirin die Entstehung von Darmkrebs verhindern kann (75 bis 100 Milligramm pro Tag). Allerdings gibt es dafür keine allgemeine Empfehlung, weil die Nebenwirkungen (Übelkeit, Sodbrennen, Blutungen im Magen-Darm-Trakt) erheblich sein können. r.n.

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