"Fitness kann man nicht kaufen"

Wenig Bewegung ist besser als keine. Dieser Weisheit widerspricht auch der Gesundheitsexperte Ingo Froböse nicht. Aber wie minimal muss der Aufwand sein, um maximalen Erfolg für Gesundheit und Fitness zu erreichen?

 Prof. Ingo Froböse präsentiert einfache Botschaften für eine bessere Gesundheit in einem unterhaltsamen Vortrag.

Prof. Ingo Froböse präsentiert einfache Botschaften für eine bessere Gesundheit in einem unterhaltsamen Vortrag.

Foto: Rainer Neubert

Langsamkeit hilft. Wer schnell werden will, muss langsam laufen. Das ist eine wesentliche Erkenntnis des renommierten und durch zahlreiche Fernsehauftritte bekannten Sportwissenschaftlers Ingo Froböse. TV-Redakteur Rainer Neubert sprach mit ihm über Trends, Unsinn, falsch verstandenen Ehrgeiz und wirkliche Fitness.

Herr Froböse, mit dem Smartphone vernetzte Armbänder zeichnen jeden Schritt auf. Apps steuern das tägliche Workout. Die Werbung verheißt Fitness ohne viel Aufwand und mit viel Spaß. Ist das der Weg zu einer gesunden Gesellschaft?
Froböse: 85 Prozent der Bevölkerung tun deutlich zu wenig. Deshalb freue ich mich grundsätzlich, wenn die Menschen überhaupt in Bewegung kommen. Große Sorge habe ich allerdings beim Blick auf diese Trends: Welche Trainingsqualität vermitteln Apps? Wer hat sie gemacht? Und wohin gehen die Daten? Zudem sind sie eindimensional, weil der Nutzer nichts bekommt, außer vielleicht eine stilisierte Medaille.

Aber das Versprechen ist doch Fitness und Jugend …
Froböse: Wenn das so einfach wäre. Fit wird man nicht durch eine Uhr, sondern nur durch aktives Handeln. Vielleicht können diese Dinge kurzfristig motivieren. Die Interpretation des Trainings wird den Nutzern überlassen. Aber dafür benötigen sie eine gewisse Kompetenz.

Minimaler Aufwand für maximalen Ertrag wird postuliert, was bedeutet das?
Froböse: Das ist genau das Thema. 10.000 Schritte zum Beispiel sind ein Aufwand, den die meisten Menschen kaum schaffen. Mehr als 5000 bis 6000 Schritte am Tag sind für den Durchschnitt das Maximum. Das zu verdoppeln, ist enorm sportlich.
Aber für den Einstieg zu mehr Fitness ist die Sportart eh egal, Hauptsache man tut etwas. Der Körperzelle ist es egal, ob man läuft, joggt oder mit Stöcken durchs Gebüsch rennt. Es muss nur Bewegung sein, die zu einer gewissen Erhöhung der Atem- und der Herzfrequenz führt. Ich kann diese Dinge im Alltag sammeln, in zehnminütigen Abständen. Wichtig ist, das über die Woche verteilt mehrmals zu tun. Meine Empfehlung ist es, so oft wie möglich im Alltag aktiv unterwegs zu sein.

Reichen nicht auch zwei oder drei Stunden konzentrierter Sport in einer Woche?
Froböse: Nein. Durch zwei oder drei Stunden konzentrierten Sport können Sie nicht kompensieren, was Ihr Körper durch einen trägen Alltag eingekauft hat. Ein aktiver Alltag ist fast wichtiger als aktiv Sport zu treiben. Je mehr man unterwegs ist, desto besser.

Fitnessstudios werben aber anders. Und wer sich im EMS-Training elektromotorisch stimulieren lässt, hat bereits bei 30 Minuten pro Woche heftigen Muskelkater.
Froböse: Das ist nur zu empfehlen, wenn die Betreuung ausgezeichnet ist. Vor einiger Zeit habe ich einen Patienten nach EMS-Training analysiert, der hatte viel schlimmere Entzündungsparameter als ein Marathonläufer, und zwar um das 50fache. Muskelkontraktionen, die durch Strom verstärkt werden, führen bei einem nicht gut trainierten Muskel zu sehr vielen Mikroverletzungen.

Also eher eine Sache für Profis?
Froböse: Ja, da kommt das auch her. Man muss einfach festhalten, dass man Fitness nicht kaufen kann. Fitness muss man machen. Ohne Anleitung sind solche Dinge ebenso wenig gut wie Fitnessgeräte zu Hause oder in Studios. Aber natürlich ist EMS in der Rehabilitation sinnvoll, um Muskeln zu stimulieren.

Laufen ist eine der beliebtesten Sportarten, um fit zu werden. Natural Running und das Laufen ohne aktive Unterstützung im Schuh sind derzeit wieder sehr in Mode.
Froböse: Ich bin grundsätzlich gegen jegliche Unterstützung des menschlichen Organismus. Wenn ich Systeme verändere, die seit 30 oder 40 Jahren gut funktioniert haben, ist das nicht gut. Ich hatte noch nie so viele Patienten mit Achillessehnenproblemen wie durch Dämpfung. Es muss ein Kompromiss sein. Dämpfung sollte im Verlauf einer Laufkarriere immer weiter reduziert werden, weil zunehmend die Muskulatur die Funktion der Dämpfung und Federung übernimmt.

Irgendwann dann also barfuß?
Froböse: Das absolut natürliche, fast barfußähnliche Laufen überfordert den Körper. Ich selbst laufe fast jeden Tag. Five Fingers ziehe ich aber maximal einmal in der Woche an, dann aber für eine eher kurze Strecke. Aber grundsätzlich ist es natürlich gut, möglichst viel barfuß zu gehen, zum Beispiel in der eigenen Wohnung.

Hat sich beim Thema Fitness mehr verändert als die Begrifflichkeit?
Froböse: Fitness ist heute wesentlich mehr als reine Körperlichkeit. Zu Fitness gehört nicht nur Kraft, sondern auch Ausdauer, Flexibilität und viele andere Dinge. Dazu gehört die Fähigkeit, zu entspannen und zu regenerieren. Es ist die Kombination aus vielen Aktivitäten. Stressresistenz zu erarbeiten, auch das ist Fitness.Zur Person

Prof. Dr. Ingo Froböse, geboren 1957 in Unna, ist Professor für Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln, der weltweit größten Sportuniversität. Der Diplomsportler wurde in seiner Studienzeit mehrfach als Sprinter deutscher Vizemeister über 100 und 200 Meter sowie deutscher Hochschulmeister über 200 Meter. Froböse ist wissenschaftlicher Berater zahlreicher Krankenkassen und erfolgreicher Buchautor. Als einer der führenden Gesundheitsexperten in Deutschland ist er auch durch seine zahlreichen Auftritte im Fernsehen bekannt.
Auf Einladung des Marketing Club Trier-Luxemburg, der Vereinigung Trierer Unternehmer in der Region Trier und des Kreises Junger Unternehmer Trier gastierte Ingo Froböse im Theater Trier mit seinem Vortrag "Fitness und Gesundheit - Geschenk oder harte Arbeit?".

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